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Sechs Präsentationen, sechs Mal direktes und unverblümtes Feedback des Publikums. In der Berliner Urania haben am 16. August 2017 Keynote-Speaker ihre Prüfungsauftritte einer Generalprobe unterzogen. Die Speaker absolvieren allesamt den Lehrgang «Professional Speaker», den die German Speakers Association (GSA) zusammen mit der Steinbein Hochschule Berlin anbietet.
Der Applaus des Publikums und das Feedback lassen einige Schlussfolgerungen zu. Zunächst: Die erfolgreichsten und mit dem meisten Applaus bedachten Präsentationen setzten Powerpoint-Folien gar nicht – oder dann nur sehr dezent und reduziert ein. Katrin Gugl beispielsweise verzichtete völlig darauf. Die Retail-Verkaufstrainerin, die insbesondere für Modemarken tätig ist, erzählte stattdessen eine 20-minütige Geschichte, die ihren Anfang beim Berufswunsch ihrer Tochter nahm («Verkäuferin für fliegende Autos») und einen Bogen spannte zur Aussage, der Retail-Verkäufer von heute müsse seinen Kunden in erster Linie glücklich machen.

Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: „Die Folie von Iris Irbah für Ihre Aussage „In die Puschen kommen“.
Je persönlicher – umso emotionaler
Gugl gelang es, das Publikum (das zu einem beträchtlichen Teil aus Fachleuten bestand – Coaches, Trainern, Medienleuten und anderen Speakern) von Beginn weg zu fesseln und nie mehr loszulassen. Das gelang ihr insbesondere durch persönliche Geschichten, durch die sie für das Publikum greifbar wurde. Nicht nur mit dem Beispiel ihrer Tochter, sondern auch beispielsweise mit der Aussage, ein Einkaufserlebnis müsste sich heutzutage in Bezug auf die Erlebnisqualität mit einem Tag im Wellnesshotel mit ihrem Mann (den sie detailliert schilderte) messen lassen.
Die persönliche Geschichte funktionierte auch in der Präsentation von Iris Irbah. Die Beraterin, die Menschen bei der Suche nach einer sinnbildenden Identität unterstützt, stellte ihre eigene Geschichte an den Anfang und erzählte, wie ihre Mutter ihr – Irbah war gerade 40 geworden – eröffnete, dass ihr sozialer Vater – ein Grieche – nicht ihr biologischer Vater war, sondern ein Mann, den die Mutter für kurze Zeit in Paris kennengelernt hatte und der gar nichts von ihrer Existenz wusste. Damit ging die Suche los, und schliesslich fand sie den Mann, der ihr Vater ist – allerdings nicht Franzose, wie vermutet, sondern Algerier.
Integrales Designkonzept wird wahrgenommen
Anhand ihrer eigenen Geschichte verdeutlichte Irbah, wie die eigene Identität sich im Laufe des Lebens wandeln kann und ermutigte das Publikum, sich Gedanken zu machen und auch mal Begrenzungen oder «Realitäten» zu ignorieren auf dem Weg, sich selbst und seine Bestimmung zu finden.» Irbah setzte dezent Folien ein, meist aber vor allem, um Gedanken zu visualisieren, indem Sie grossflächig Bilder projizierte. Wenn überhaupt Text, dann waren auf ihren Bildern nicht mehr als ein oder zwei Stichworte zu finden. Einleuchtend dafür ihr Bild von Knetmasse, die für sie versinnbildlicht, dass jeder Einzelne es in der Hand hat, sein Leben zu formen. Positiv gewertet wurde vom Publikum auch das Farbkonzept Irbahs: Die Rotfarben zieht sich durch ihre gesamte Präsenz durch: Begonnen bei ihrem Kleid, über den Schriftzug bis zu den Farbwelten auf den Bildern.
Ganz auf Powerpoint verzichtete auch Martina Rattinger, die ein flammendes Plädoye für die EU (oder war es für Europa?) zum Thema ihrer Keynote machte. Sie operierte mit einigen Zahlen, beispielsweise, wenn sie Bruttoinlandprodukte verglich oder über Bussgelder der EU gegen grosse internationale Konzerne wie Google sprach, die sie gleichwohl nicht visuell unterstützte – und es funktionierte. Dafür setzte sie auf das Mittel der greifbaren Gegenstände: Zur Verdeutlichung, wie bequem das Einkaufen innerhalb der Europäischen Union geworden sei, brachte sie ihre Einkaufstasche mit und legte die Dinge aus, die sie in den letzten 48 Stunden gekauft hatte: Eine Seife in den Ferien in Antibe, italienische High Heels (was sonst…) auf der Rückreise nach Österreich und Würste aus Kärtnen (vakumverpackt!). Botschaft: Dank der EU ist es ohne Währungswechsel und Zollärger möglich, in den verschiedensten Ländern Europas einzukaufen.

Knetmasse als Sinnbild dafür, wie sich jeder Mensch sein Leben selbst formen kann.
Publikumseinbezug. Ist vielleicht weniger mehr?
Deutlich gelebt wurde in praktisch allen Präsentationen auch die Idee, das Publikum in irgend’ einer Form zu aktivieren und miteinzubeziehen. Manfred Aull, der die These vertrat, es bringe mehr, an seinen Schwächen zu arbeiten als seine Stärken weiter zu stärken, bat das Publikum mehrfach, durch Handzeichen Fragen zu beantworten: «Wer glaubt, es bringe mehr, seine Stärken weiter zu verbessern?» Sandra Gehmaier, die sich mit 21 Jahren als Fotografin selbstständig machte und darüber sprach, wie sie dank online-Marketing ohne Kaltakquise auskommt, fotografierte das Publikum von der Bühne herab und forderte es zu allerlei Aktionen auf- am Ende auch zu einer (inszenierten) Standing Ovation. Rosemarie Cezkalla verdeutlichte den Kontrollverlust am Arbeitsplatz dadurch, dass sie das Publikum aufforderte, in Kleingruppen zu diskutieren – und stellte dann fest, dass sie selbst die Kontrolle am meisten verlor, weil es kaum mehr gelang, das Publikum wieder zurückzuholen. Katrin Gugl platzierte Zuschauer/innen im Saal um, um den Begriff «Disruption» zu verdeutlichen.
Insgesamt überzeugte der Publikumseinbezug in der gezeigten Art und Weise allerdings mässig und wirkte zu oft als ein gesuchtes Element, das es halt auch noch eingebaut werden sollte. Bei keinem der Beispiele konnte der Einbezug des Publikums einen Mehrwert für die Vermittlung der Botschaft schaffen, und in einen direkten und auch gehaltvollen Dialog mit dem Publikum zu kommen, gelang niemandem der Präsentierenden – was aber möglicherweise innerhalb eines Zeitrahmens von 20 Minuten auch gar nicht gelingen kann.
Fazit:
- Geschichten funktionieren. Je persönlicher sie sind und je spezifischer sie zur Botschaft passen, umso überzeugender
- Publikumseinbezug wirkt dann, wenn er über rhetorische Fragen hinausgeht oder wenn z.B. Meinungsabfragen («Wer findet, dass…») dann auch inhaltlich verwertet werden (z.B.: «Interessant, sie liegen genau im Durchschnitt. Ein repräsentative Umfrage hatte nämlich ergeben….»)
- Powerpoint kann unterstützen, muss aber nicht sein. Am intensivsten war das Publikumserlebnis bei denjenigen Speakern, die darauf verzichteten oder PP nur sehr dezent einsetzten.
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