von Patrick Senn | 25.09.2024 | Gesellschaft, Krisenkommunikation, Medienwelt
Der kommunikative Absturz der Swiss
Zunächst war es lediglich ein Post auf LinkedIn, unterdessen auch längst wieder gelöscht. Dennoch machte der Ärger von Bulgari-CEO Jean-Christophe Babin die Runde. Fast 20 Artikel sollten es am Ende werden, ausgehend von der Handelszeitung.ch über blick.ch, watson.ch bis zu finews.ch. Adressat des Frusts: die deutsche Fluggesellschaft SWISS. Grund des Frusts: Grottenschlechte Qualität.
«Bulgari-Chef geht wegen der Swiss in die Luft», war einer der Titel, oder dann: «Das einzige Geschäft, in dem Inkompetenz nicht bestraft wird» – wie in der Handelszeitung. Diese hatte als erste bemerkt, wie Babin ordentlich über die Fluggesellschaft Swiss ablästerte, die früher mal eine schweizerische und für Qualität bekannt war, seit sie zur Lufthansa-Gruppe gehört, aber laufend mit negativen Schlagzeilen über unzufriedene Kunden in der Presse ist. Als Passagier sei man eine «Geisel der Inkompetenz und Arroganz», zog auch Babin vom Leder, die Swiss sei eine der teuersten Fluggesellschaften der Welt, dafür bekäme man einen durchschnittlichen Service, alte Flugzeuge und schlechtes Essen.
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Der Frust muss angestaut gewesen sein, und dass Babin einfach einen schlechten Tag hatte, kann ausgeschlossen werden. Denn er ist Mitglied im Vielfliegerprogramm «Senators auf Lebzeiten», wie die HANDELSZEITUNG schreibt. Mit anderen Worten: Ein Key Account Kunde. Das Fass zum Überlaufen gebracht hatte vermutlich eine Erfahrung seiner Frau, die einen Flug gebucht hatte und eben einmal drei Stunden vor Abflug erst erfahren hatte, dass die Verbindung gestrichen worden war. Ersatzlos. Eine Alternative habe es erst am späten Nachmittag des Folgetages gegeben. «Eine totale Schande für die Fluggesellschaft», zitieren die Zeitungen genüsslich Babins Wutausbruch.
Und Babin blieb mit seinem Frust nicht lange alleine. Andere Manager doppelt nach. Grosses Thema: Doppelt verkaufte Sitzplätze – in der Hoffnung, einer der Passagiere würde dann schon nicht erscheinen. Blöd nur, wenn beide kommen. Dann muss einer auf den Flug verzichten. Klar: Das mögen Manager mit engen Zeitplänen nicht wirklich. Der Höhepunkt des Bashings: ein Manager, der schreibt, er habe sich letztes Jahr selbst in einem Post darüber geäussert, dass SWISS mit ihrem grottenschlechten Service gerade dabei sei, ihre Marke zu zerstören. Daraufhin sei ihm «von einem leitenden Direktor aus der Schweiz» beschieden worden, dass ihm der negative Post «egal» sei.
Die Medienstelle der SWISS versucht offensichtlich nicht einmal mehr, den Schaden einzugrenzen. Karin Montani, Leiterin der Medienstelle, wird in der HANDELSZEITUNG mit der Aussage zitiert: «Den Post können wir aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht kommentieren. Wir machen grundsätzlich keine Aussagen zu unseren Kundinnen und Kunden ohne deren Einverständnis.» – Es ist das Eingeständnis des kommunikativen Vollversagens – sowohl im Kunden- wie im Reklamationsmanagement. Natürlich gibt es keinerlei datenschutzrechtliche Gründe, auf die öffentlich geäusserte Kritik eines unzufriedenen Kunden zu reagieren. Es ist nicht nur nicht verboten, eine Reaktion wäre geradezu angezeigt, um zu retten, was noch zu retten ist. – Ausser natürlich, wenn sowie schon die Devise gilt: «Ist der Ruf erst ruiniert, lebt’s sich gänzlich ungeniert.»
Kommunikatives Vollversagen: Swiss-CEO a.i. Heike Birlenbach (links), Medien-Chefin Karin Montani (rechts)
Die kommunikativen Lehren
Was angemessen gewesen wäre
Zunächst empfiehlt es sich, auf einen Post wie den von Babin umgehend direkt auf dem Social Media Kanal zu reagieren. Ob das durch die Medienstelle erfolgt oder den Kundendienst, bleibe dahingestellt. Wie figura zeigt, ist aber bei Kritik durch Prominente auf jeden Fall damit zu rechnen, dass die Kritik von den Medien aufgenommen wird. Eine Entschuldigung und einige Sätze des ehrlichen Bedauerns sind deshalb auf jeden Fall angebracht. Dem sollte eine persönliche Kontaktaufnahme folgen, und zwar nicht durch eine subalterne Stelle. Sondern auf Augenhöhe. Wenn der CEO einer weltweit tätigen Uhrenmarke sich beklagt, kann die Entschuldigung nur vom CEO respektive von der CEO der Fluggesellschaft kommen. Ja, Reklamationsmanagement kann manchmal Chefsache sein.
Der Schreibende kann sich noch gut erinnern, wie er vor gefühlten 20 Jahren äusserst unzufrieden war mit einem Vorgang bei der Swisscom und sich beim damaligen Swisscom-CEO Jens Alder persönlich beschwerte. Völlig unerwarteterweise schrieb Alder persönlich zurück – oder, sagen wir: kam eine Antwort von Alders E-Mail Account und war von ihm persönlich unterzeichnet. Alder bot eine mehr als faire Geste der Wiedergutmachung an, mit dem Resultat, dass der Schreibende noch heute Kunde bei der Swisscom ist und seit Jahren (zu)viel Geld für das eigentlich überteuerte Mobiltelefon-Abo bezahlt.
Wenn der Kunde sich im Unrecht befindet
Tatsächlich gibt es immer wieder Fragen, wie auch medial damit umgegangen werden kann, wenn Kunden bei ihren Reklamationen nur die Hälfte der Geschichte erzählen und gefliessentlich den Teil auslassen, der die Geschichte in einem anderen Licht erscheinen lassen würde. – Wenn sich beispielsweise herausstellen würde, dass Babins Frau lediglich ein «Standby»-Ticket hatte und damit keinen Anspruch auf einen Platz im Flieger. Nicht, dass dies gemäss den bekannten Informationen der Fall gewesen wäre – aber spielen wir den hypothetischen Fall beispielhaft durch.
In einer solchen Situation verbietet es sich tatsächlich, die Kundin öffentlich blosszustellen. Das Problem lässt sich aber einfach umgehen, indem von dem konkreten Fall abstrahiert wird. Beispiel: «Zu konkreten Kundenverhältnissen kann ich Ihnen aus Gründen des Datenschutzes keine Auskunft geben. Generell kann ich Ihnen aber sagen, dass solche kurzfristige Absagen Kunden mit Standby-Tickets betreffen. Solche Tickets sind sehr günstig, beinhalten aber das Risiko, dass man einen Flug nicht wahrnehmen kann.»
Die Technik kann auch verwendet werden, wenn z.B. aus Gründen des Amtsgeheimnisses eine Medienanfrage nicht konkret beantwortet werden kann. Unser klassisches Schulungsbeispiel: Ein arbeitsloser 55-jähriger ehemaliger Personalchef wird von einem RAV zu einem Bewerbungskurs geschickt und beklagt sich in den Medien bitter darüber. Antwort der RAV-Leiterin: «Zu konkreten Fällen darf ich Ihnen nichts sagen, wegen dem Datenschutz. Allgemein gilt aber, dass wir solche Kurse anordnen, wenn jemand, der eine Arbeit sucht, auch nach vielen Bewerbungen und längerer Zeit nie einen Vorstellungstermin erhält. Unsere Erfahrung zeigt, dass dann häufig eine Verbesserung der Bewerbungsunterlagen nach einem solchen Kurs zum Erfolg führt. Und diese Erfahrung gilt übrigens auch für Menschen aus dem Personalwesen.» Mit dieser Antwort hat die RAV-Leiterin das Amtsgeheimnis gewahrt, keine Persönlichkeitsrechte verletzt und doch den Vorwurf in einer Art und Weise gekontert, die dem neutralen Zuhörer eine alternative Sichtweise eröffnet.
Grundbedingung für diese Antworttechnik ist natürlich regelmässig, dass die Organisation, an der Kritik geäussert wird, ein moralisch-ethisch korrektes Geschäftsgebaren an den Tag legt und es sich bei den Kritikpunkten um Ausreisser handelt. Falls das nicht der Fall ist, kann der Rat nur noch sein, entweder das Ruder herumzureissen (was für den CEO vielleicht möglich ist) oder (z.B. als Kommunikationsverantwortliche) das sinkende Schiff noch zu verlassen, bevor der eigene Ruf ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wird.
von Patrick Senn | 09.09.2024 | Gesellschaft, Krisenkommunikation, Medienwelt, Politik
Denken – Schlücken – Drücken – Sprechen
Lehren aus dem Faux-Pas von Sanja Ameti
Es ist ein altes Militärmotto, das jeder Funker der Schweizer Armee gelernt hat: Denken – schlücken – drücken – sprechen. Entscheidend ist die Reihenfolge. Sie meint: Überleg’ Dir erst, was Du zu sagen hast, bevor Du sprichst.
Es ist ein Motto, das so einigen gut tun würde. Vorab in der politischen Welt. Jüngstes Beispiel: Die 32-jährige Sanija Ameti. GLP-Politikerin, Zürcher Gemeinderätin, Chefin der «Operation Libero», Juristin, ewige Doktorantin, Mitarbeiterin der PR-Agentur Farner in Zürich und Grossmaul. So machte sie schon in der Vergangenheit mit saloppen Sprüchen Schlagzeilen, etwa, als sie in einer TV-Sendung über die SVP-Poltiker Albert Rösti und Hans-Ueli Vogt sagte: «Die kann ich mir nicht schöntrinken.» Ameti weiss: Klappern gehört zum Geschäft. Wer in den Medien wahrgenommen werden will, muss bisweilen provozieren. Das tat sie regelmässig, und weil sie auf der «richtigen» Seite steht (sprich: linksliberale Positionen vertritt), wurde sie alsbald Liebkind der Medienschaffenden.
Zumindest bis letzte Woche. Da postete Ameti auf Twitter, wie sie als Sportschützin übt. Nach einem Schiessstand sieht die Umgebung nicht aus. Ameti schiesst auch nicht auf eine F-, B- oder A-Scheibe, wie Sportschützen das in aller Regel tun. Sondern auf ein Bild, das Maria mit dem kleinen Jesus zeigt. Die Einschusslöcher sind deutlich zu sehen. Zu dem Post schreibt sie: «Abschalten».
Der Shitstorm folgte auf den Fuss. Als der BLICK letzte Woche nachfragt, ob sie sich bewusst sei, dass sie damit womöglich religiöse Gefühle von Menschen verletze, löscht Ameti den Post umgehend und entschuldigt sich. In 20MINUTEN wird sie mit der Aussage zitiert:
«Als Vorlage für das 10-Meter-Schiessen habe ich Motive gebraucht, die genug sichtbar sind. Ich hatte nur den Koller-Katalog zur Hand, der gross genug war. Auf den Inhalt der Bilder habe ich nicht geachtet. Das war nicht richtig. Tut mir von Herzen leid, falls ich damit jemanden verletzt habe!»
Aktuell findet sich auf ihrem Twitter-Profil lediglich noch die folgende Nachricht:
«Ich bitte um Vergebung bei den Menschen, die durch meinen Post verletzt wurden. Ich habe diesen sofort gelöscht, als mir der religiöse Inhalt bewusst wurde. Ich habe nichts dabei überlegt. Es tut mir unglaublich Leid.»
Gleichwohl ging der Faux-pax viral. Und das international. «In Switzerland, a muslim politician used Baby Jesus for target practice and posted it on Instagram – people like her embolden Muslims to attack Europeans. This is a hate crime», schreibt Stella Birdie. Schweizer Politikerinnen fordern Ametis Rücktritt aus allen politischen Ämtern. Ihre Partei, die Grünliberalen, distanzieren sich. Die EU-integrationsfreundliche Operation Libero, deren Präsidentin Ameti ist: sie schweigt.
In Kommentarspalten und Zeitungsartikeln wird fleissig diskutiert, ob man so naiv und sich der Bedeutung eines solchen Posts nicht bewusst sein könne. Oder ob Ameti gezielt habe provozieren wollen und der Schuss nun einfach, quasi buchstäblich, nach hinten los ging. Den meisten erscheint die Rechtfertigung Ametis als wenig glaubwürdig. Gaudenz Freuler, ein emeritierter Professor für Kunstgeschichte, hält Ametis Aussagen in der Zeitung 20 MINUTEN für eine «faule Ausrede». Religionswissenschafter Andreas Tunger-Zanetti findet an selber Stelle: «Das zeugt von schlimmer Unkenntnis und Ignoranz, die einer Politikerin schlecht ansteht.» Und: «Egal, ob religiös oder nicht, schon das Schiessen auf menschliche Darstellungen finde ich höchst fragwürdig.»
Besonders brisant: Auch Jürg Grossen, Parteipräsident der GLP Schweiz, nimmt ihr die Entschuldigung nicht ab. Im BLICK lässt er sich mit der Aussage zitieren: «Das war eine vorsätzliche Provokation.»
Weltweiter Shitstorm
Die Ausschnitte aus X (früher Twitter) zeigen, wie hoch die Wellen schlugen und wie die Affäre rasch auch weltweit Beachtung fand. Der Vorgang zeigt, dass religiöse Motive im Rahmen des tobenden Kulturkampfes heikler sind denn je. Von Personen in politischen, sportlichen oder gesellschaftlichen Führungsrollen muss deshalb erwartet werden können, dass sie sich dieser Problematik und ihrer Verantwortung bewusst sind und nicht leichtfertig mit dem Feuer spielen. Wer das nicht versteht, hat in einer solchen Rolle nichts verloren.
Die kommunikativen Lehren
Zum ersten (und das schreiben wir hier nicht zum ersten Mal):
Social Media Posts sind gefährlich. Besonders, wenn die Impulskontrolle versagt und einfach wild gepostet wird. Egal, ob bewusste Provokation oder dümmliche Naivität: Der Shitstorm, dessen finale Konsequenzen noch nicht abschätzbar sind, wäre zu vermeiden gewesen, wenn Ameti getan hätte, was wir allen raten, die auf Social Media posten: Schaltet zur Qualitätskontrolle einen «Produzenten» zwischen. Eine Person, die jeden Beitrag «abnimmt», bevor er online geht. Die kritisch hinterfragt: Ist es jetzt schlau, so etwas zu posten?
Zum zweiten:
Bei allem Drang zur Selbstdarstellung: Nicht alles muss ins Netz und online gehen. Wir plädieren für eine neue Kultur der Demut und der Selbstbeschränkung. «Content is king», aber richtig verstanden. Will heissen: Weniger BlaBla und heisse Luft, dafür mehr Substanz. Inhalte statt Verpackung. Relevanz statt Popanz. Die Schiessübungen der Möchte-Gern-Politikerin haben im Netz genau so wenig verloren wie die Hochzeit der Industriellentochter, bei der sich primär der Herr Papa inszeniert.
Zum dritten:
Die schöne neue Welt birgt das Risiko der Selbstüberschätzung. Jung, attraktiv und frech reichen heute aus, um von den Medien wahrgenommen zu werden. Und eine positive Medienwahrnehmung reicht häufig genug aus, um in der Politik in Amt und Würden zu gelangen. Auf der Strecke bleiben Bildung, Wissen und (Führungs-) Erfahrung.
Nur: Früher oder später wird die fehlende Substanz sichtbar. Die deutschen Spitzenpolitiker lassen grüssen: Ob Ricarda Lang, Kevin Kühnert, Saskia Esken oder Katrin Göhring-Eckert: Die Generation der Studienabbrecher und Langzeitstudenten ohne Abschluss beweist aktuell grad deutlich, dass die Substanzdefizite früher oder später zum Vorschein kommen und zum Bumerang werden. Das gilt auch für Ameti: Ein gutes Buch über die Kulturgeschichte Europas wäre das bessere Investment in die politische Zukunft gewesen als eine Combat-Übung im Stile einer IS-Terroristin.
von Patrick Senn | 22.03.2024 | Analysen von Medienauftritten, Gesellschaft, Krisenkommunikation, Medienwelt
„Le Bijou“ ist ein Startup Unternehmen, das luxuriöse Wohnungen für Kurzzeitmieten anbietet – und damit den klassischen Hotelsuiten Konkurrenz macht. Die Objekte zeichnen sich durch besonders edles Design und neuste Technologie wie den digitalen Butler aus. – Im Umfeld der Corona-Krise hat „Le Bijou“ damit Schlagzeilen gemacht, dass es seine Apartements im Hochpreis-Segment für eine „Luxus-Quarantäne“ angeboten hat.
Augenkontakt
Der erste Punkt, der an dem Interview auffällt: Hübner hat selten Augenkontakt mit der Journalistin respektive mit der Kamera. Damit erweckt er den Eindruck, dem Blickkontakt ausweichen zu wollen. Die deute Redensart, „er konnte mir nicht in die Augen schauen“, legt schon nahe, wie dieses Verhalten wirkt: Wenig souverän, wenig selbstbewusst.
Dabei ist festzuhalten, dass die Situation der Duplexschaltung, wie wir sie hier haben, tatsächlich eine der schwierigesten Mediensituationen überhaupt ist. Ohne das entsprechende Training ist das Risiko enorm hoch, mit den Augen abzuschweifen, wie es Hübner hier passiert.
Bei einem klassischen Interview, bei dem die Journalistin den Gesprächspartner vor Ort trifft und befragt, ist die Grundregel klar: Der Blick in die Kamera ist dann tabu, der Augenkontakt ganz auf das Gegenüber ausgerichtet.
Diese goldene Regel gilt nur in einer Situation nicht – genau bei dieser sogenannten „Duplex-Schaltung“ oder „Schalte“. Die Interviewerin befindet sich hier nicht direkt bei Ihrem Gesprächsgast, sondern im Sendestudio. Der Interviewpartner ist durch eine technische Verbindung (früher Satellit, heute mehr und mehr über eine der neuen Messender-Apps wie Skype, WhatsApp, Team oder Zoom) zugeschaltet.
Und in dieser Situation gilt nun die Ausnahmeregel, dass der Blick in die Kamera gerichtet sein soll – und möglichst nur dahin. Das ist bisweilen gar nicht einfach und wird deshalb auch in unseren Trainings explizit geübt.
Auch die Haltung ist übrigens wichtig: Anders als bei Face-to-Face Interviews üblich sitzen die Gesprächsgäste bei Schaltungen häufig – und zeigen dabei eine schlechte Körperhaltung. Das kann beispielsweise mit einem Stuhl ohne Rücklehne verbessert werden.
Frage der Journalistin: „Haben Sie verständnis für die Kritik?“
„Nein, diese Leute haben es nicht richtig verstanden.“
Das Empathie-Gebot
Ganz wichtig: Nehmen Sie einen Medienauftritt wahr, um auf Ihr Reputationskonto einzubezahlen. Das verlangt nach Empathie. Wenn die Journalistin Sie fragt, ob es Ihnen egal sei, wenn andere Sie für ihr Geschäftsmodell kritisieren, dann antworten Sie nie mit Ja. Nie, nie, nie. Denn eine solche Aussage wirkt für viele überheblich. Sogar für solche, die sich der Kritik nicht anschliessen und eigentlich auf Ihrer Seite sind.
Seien Sie sich auch bewusst: Sie verkaufen besser, wenn die Dienstleistung oder das Produkt, das Sie anbieten, soziale Akzeptanz hat. Und das schlicht deshalb, weil Sie immer eine Anzahl Kundinnen und Kunden haben werden, die es sich nicht leisten können oder wollen, einen Service zu nutzen, der diskreditiert wird.
Und sogar wenn Sie Ihre Produktion zu 100% ausgelastet haben und gar nicht mehr produzieren und verkaufen könnten: Tappen Sie nie in die Überheblichkeitsfalle.
Aber wie lösen Sie eine solche Situation? Zeigen Sie immer Verständnis für die Kritik. Und gehen Sie anschliessend darauf an.
Und jetzt ist das sprachliche Feingefühl gefragt: mit einer Aussage wie „Die Kritiker haben es nicht verstanden“ greifen Sie nicht nur die Kritiker an, sondern auch all‘ die, welche die Frage für gerechtfertigt halten. Formulieren Sie deshalb in solchen Situationen behutsam.
Zum Beispiel so: „Ich habe schon einige Gespräche dazu geführt mit Kritikern unserer Corona-Offensive. Und immer festgestellt, dass Sie Ihre Kritik zurücknehmen, wenn wir Ihnen beispielsweise klar machen können, dass 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit unseren Apartements ihren Lebensunterhalt verdienen müssen.“
Und wenn Ihr Publikum etwas nicht verstanden hat: Greifen Sie es dafür nicht an, sondern üben Sie Selbstkritik: „Wir haben das womöglich zu wenig gut erklärt.“ Oder: „Die Kommunikation war leider etwas verkürzt.“
Vorbereitung ist das halbe Leben
Dasselbe auf die Frage, ob es nicht stossend sei, dass in Zeiten einer solchen Not Personen mit viel Geld eine bevorzugte medizinische Versorgung erhielten. Bei einer solchen Frage sollten Sie zunächst klären: Sie Sie als Hospitaliy-Anbieter die richtige Person, um das einzuschätzen? Vermutlich nicht.
Grenzen Sie deshalb zunächst mal Ihre Kompetenz ab: „Ich bin kein Experte für das Gesundheitssystem.“ Und dann: „Was die Schweiz ja auszeichnet, ist die Tatsache, dass hier jeder Menschen, und wirklich jeder, eine hervorragende medizinische Versorgung erhält. Aber es ist in der Tat so wie in wohl allen freiheitlichen Gesellschaften: Mehr Wohlstand erlaubt gewisse Annehmlichkeiten. Das ist in Krisenzeiten nicht anders als sonst: Als Topverdiener können Sie es sich leisten, Ware liefern zu lassen – ich muss sie mir selbst im Laden holen.“
Auf solche Analysen hören wir oft: „Im Nachhinein sagt sich das natürlich einfach.“ Und diese Aussage ist völlig berechtigt. Deshalb wollen wir das „im Nachhinein“ vor das Interview mit der Journalistin verlegen. Indem Sie als letzten Punkt Ihrer Vorbereitung ein Interview durchspielen, bevor Sie es tatsächlich halten.
Dabei müssen alle kritischen Fragen, die man Ihnen stellen kann, auf den Tisch. Wenn Ihr interne Kommunikations-Abteilung das nicht leisten kann – oder Sie schlicht keine haben – dann bemühen Sie einen externen Anbieter dafür. Das kostet nicht alle Welt, erspart Ihnen aber unerwartete kritische Fragen, auf die Sie nicht vorbereitet sind.
Wir nennen das „Nasty Questions List“. Eine Liste, die Sie unbedingt führen und immer wieder aktualisieren sollten: Jede Branche hat ja gewisse Standard-Vorwürfe immer wieder zu parieren.
von Patrick Senn | 13.02.2024 | Analysen von Medienauftritten, Gesellschaft
Das Boulevardblatt BLICK aus dem Hause Ringier bestraft den Pächter der Schlittenvermietung mit der Höchststrafe und publiziert innerhalb zweier Tage in seiner Online-Ausgabe nicht weniger als 9 Geschichten zu dem Thema.
Sie sollten es eigentlich wissen
Kritik am Verhalten (insbesondere orthodoxer) Juden ist im Bündnerland kein neues Phänomen. Man erinnert sich an eine Unterkunft in Arosa, in welcher auf einem Plakat, gerichtet «an unsere jüdischen Gäste», erinnert wurde, dass vor dem Schwimmen im Pool erwartet werde, dass man sich dusche. Ansonsten werde das Bad für die jüdischen Gäste geschlossen. Das war 2017. Und der Aufschrei gross.
Im letzten Sommer wird einer jüdischen Familie in Parpan eine Unterkunft verweigert. Man habe in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht mit Schäden an den Häusern. Wieder ist das Entsetzen gross, in den Medien wird die Rassismuskeule geschwungen, mit erheblichen Imageschäden für die Feriendestination.
Das ist auch beim jüngsten Vorfall nicht anders. Der BLICK kennt, wie immer bei dem Thema, kein Halten mehr. Ob er damit der Sache dient, bleibt dahingestellt. Auf Social Media beklagen empörte Gutmenschen den schlimmen Rassismus, andere erzählen von eigenen negativen Erfahrungen mit jüdischen Mitmenschen. Erboste Juden reichen Strafanzeige ein, etwas besonnenere versuchen zu erklären, dass sich womöglich auch andere Menschen immer nur korrekt verhielten, aber oftmals wohl einfach weniger wahrgenommen würden, weil sie äusserlich nicht aufflielen. Der lokale Vertreter der Tourismusbranche versucht, das Problem auf «einige wenige» auf beiden Seiten des Konflikts zu beschränken, der Vertreter der kantonalen Tourismusbranche nutzt die Chance, um den Seinen wieder mal die Kutteln zu putzen und sie daran zu erinnern, was Gastfreundschaft sei.
Der Davoser Tourismus-Direktor reto Brantschi
«Die Schwierigkeiten mit einem kleinen Teil der orthodoxen jüdischen Gäste sind leider eine Tatsache, Das Problem hat zwei Seiten und schwelt seit Jahren.»
Grosses Geheul, und dann?
Die mediale Empörungsbewirtschaftung lauft also im 6. Gang – mit zugeschaltetem Turbo. Wie das heutzutage üblich ist. Die Staatsanwaltschaft wird eine Unter-suchung durchführen und mutmasslich einen Strafbefehl ausstellen, was den Missmut gegenüber der Gästegruppe, man ahnt es, wohl kaum verringern wird.
Was ist in einer solchen Lage aus kommunikativer Sicht zu raten? – Tatsächlich: Es ist schwierig. Der fehlbare Schlittenvermieter hat sich in den Medien entschuldigt, der kantonale Tourismusvertreter lässt medial ausrichten, er nehme ihm die Entschuldigung nicht ab. Man redet übereinander, aber nicht miteinander.
Da ist aktuell also in Sachen Kommunikation wenig auszurichten. In solchen Situation ist der Rat, einfach einmal zu schweigen, oft der Beste.
Nur so kehrt – früher oder später – Ruhe ein. Die Shitstorms flachen ab, und andere Themen mit höherer Dringlichkeit verhindern, dass all‘ die Massnahmen wie Mediationen oder Task Forces, die in der Hitze des Gefechts in Aussicht gestellt wurden, tatsächlich durchgeführt werden. Zudem plagt das Alltagsgeschäft, das, allen Unkenrufen zum Trotz, trotz dem Skandal nicht gelitten hat und auch die Anzahl Logiernächte nicht ins Bodenlose fallen liess.
Daran erinnern wird man sich erst, wenn der nächste Fall publik wird und ein Journalist nachfragt, was eigentlich aus den damaligen Versprechen geworden ist.
Und dann wird wieder alles von vorne losgehen. Als ob es die Rassismusskandale einfach in einem gewissen Rhythmus bräuchte, um sich allseitig wieder einmal ordentlich empören zu können.
von Patrick Senn | 25.01.2019 | Gesellschaft, Krisenkommunikation, Medienwelt, News
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Ein Abstecher in die Gefilde der Unterhaltungsindustrie
Schon wieder ist ein Vorgang der Unterhaltungsindustrie Gegenstand dieser Kolumne. Einfach deshalb, weil das Beispiel mit einer besonderen Deutlichkeit zeigt, wie Personalia NICHT kommuniziert werden sollten.
Mit Datum vom 24. Januar 2019 hat die Miss Schweiz Organisation per Medien-Mitteilung kommuniziert, dass sie „ihre“ Miss Schweiz per sofort freistellt und die bis dahin amtierende Jastina Doreen Riederer weder den Titel „Miss Schweiz“ noch den Titel „Ex-Miss Schweiz“ tragen dürfe. Ganz offensichtlich haben sich die Organisation und die Miss überworfen und werfen jetzt gegenseitig mit Schmutz.
In der Medienmitteilung stehen beispielsweise Dinge wie: „Nach mehreren Verstössen folgten Abmahnungen, welche bereits von der zurückgetretenen Geschäftsführerin sowie der aktuellen Miss Schweiz Organisation ausgesprochen wurden. Ebenso haben Partner deutliche Ermahnungen an die vertraglichen Pflichten der ehemaligen Miss Schweiz ausgesprochen, welche von ihr teilweise weiterhin ignoriert wurden. Die zuletzt mehrere Wochen andauernden Unerreichbarkeiten erschwerte die Zusammenarbeit zusätzlich und verunmöglichten es sogar der Organisation, Frau Riederer die Freistellung im persönlichen Gespräch mitzuteilen. Die möglichen Folgen und damit verbundene Aberkennung des Titels bei weiteren Vertragsverstössen wurden ihr bereits im November 2018 unmissverständlich und schriftlich mitgeteilt. Die Organisation bedauert diesen Schritt, welcher aufgrund der wiederkehrenden Vertragsverletzungen unumgänglich wurde.“
Das ist deutlich, möglicherweise sogar durchaus auch wahr. Einzig: In ein Medien-Communiqué gehört das nicht. Zunächst aus rechtlichen Gründen: Ein Arbeitgeber hat eine Schutzpflicht gegenüber dem Arbeitnehmer und die Persönlichkeitsschutzrechte zu wahren. Aber auch kommunikativ empfiehlt es sich nicht, so vorzugehen, wie das die Miss Schweiz-Organisation tut. Grund: Der David-gegen-Goliath-Effekt.
Und der besagt, dass im Zweifelsfalle die Sympathie des Publikums oft nicht dem Mächtigen und Starken gilt, sondern demjenigen, der sich nicht wehren kann oder als der schwächere Part betrachtet wird. Vorliegend also steht auf der einen Seite eine Organisation in der Form einer Aktiengesellschaft, welche anonym kommuniziert – auf der gesamten Homepage der Organisation ist kein einziger Name einer natürlichen Person zu finden. Erst ein Blick in das Handelsregister offenbart, dass dort die Geschwister Iwan und Andrea Meyer und ein Predrag Ceko als Verwaltungsräte eingetragen sind. Auf der anderen Seite eine 20-jährige Frau, die in der Vergangenheit allerdings auch bereits oft genug negative Schlagzeilen machte. Etwa, nachdem sie eine plastische Operation eingestand (welche eigentlich mit den Teilnahmebedingungen bei einer Miss Schweiz Wahl nicht zu vereinbaren ist), oder einräumen musste, dass ihr schon bewusst sein, dass die Wimpern-Verzierung ihres Autos nicht gestattet sei.
Gleichwohl schlugen sich die Kommentatoren am Tag nach der Enthüllung rasch auf die Seite der jungen Frau. Auf WATSON.CH fand die „Kommunikationsexpertin“ Sonja Buholzer, die Kommunikation sei „dilettantisch“, „gefühllos“ und käme einer medialen Hinrichtung gleich. BLICK.CH befragte Rechtsanwalt Boris Etter, der zum selben Schluss kommt und auch auf die arbeitsrechtliche Problematik aufmerksam macht. Damit aber nicht Schluss. In den Folgetagen äusserte sich die geschasste Miss ausführlich in verschiedenen Medientiteln, etwa auf BLICK.CH, wo sie wenig Schmeichelhaftes über die die Miss Schweiz Organisation erzählte wie beispielsweise, dass sie ihren Lohn auf dem Rechtsweg einklagen und ein von ihr beauftragter Anwalt einen Zahlungsbefehl gegen ihren Arbeitgeber ausstellen liess. Dazu sekundierte Jastina Doreens Mutter, in dem klassischen Boulevard-Form „Jetzt redet die Mutter von…“ im BLICK oder der SCHWEIZER ILLUSTRIERTEN. Die Verantwortlichen der Miss Schweiz Organisation wollten diese Informationen nicht kommentieren und schwiegen, womöglich auch, weil sie unterdessen auf die möglichen Konsequenzen ihres Vorgehens aufmerksam gemacht wurden.
Die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit dürfte damit gedreht haben – die Anschuldigungen der Arbeitgeberin werden vollends zum Boomerang.
Nicht alles öffentlich kommentieren
Arbeitskonflikte kommen vor, keine Frage, und es mag genügend Fälle geben, wo die Kritik des Arbeitgebers durchaus berechtigt ist. Besonders stossend wird die Angelegenheit insbesondere, wenn der Arbeitnehmer dann noch proaktiv die Medien instrumentalisiert (oder, auch nicht selten: von einer Gewerkschaft dazu missbracht wird), um seine Sicht der Dinge zu kolportieren und, in der Hoffnung, den David-gegen-Goliath-Effekt nützen zu können, öffentlich gegen seinen Arbeitgeber herzieht.
In solchen Situationen ist es entscheidend, kühlen Kopf zu bewahren und keinesfalls öffentlich schmutzige Wäsche zu waschen. Besser ist es, darauf zu verweisen, dass man schon aus rechtlichen Gründen keine Details zu Arbeitsverhältnissen öffentlich kommentiere. – Um dann anzuschliessen, dass man ganz generell aber davon ausgehen könne, dass man als Arbeitgeber niemanden kündigen oder freistellen würde, wenn es nicht klare Gründe dafür gebe. Und diese Gründe auch bewiesen werden könnten, falls es zu einem Gerichtsfall käme.
Damit ist alles gesagt. Die Interpretation können die Journalistin oder das Publikum selbst machen.
Im vorliegenden Falle kommt ein weiterer Aspekt dazu: Die Amtszeit der Miss wäre eigentlich sowieso in Kürze abgelaufen – zumindest, wenn die Miss Schweiz Organisation in der Lage wäre, rechtzeitig neue „Wahlen“ zu organisieren. Ob es unter diesen Vorzeichen geschickt war, einen Konflikt öffentlich zu machen, der beiden Seiten zu einem Reputationsschaden gereicht, ist mehr als nur zu beweifeln. Hier hätte die alte Grundregel, dass ein Arbeitskonflikt nicht an die Öffentlichkeit gehört, bestimmt zu einem besseren Ergebnis geführt.[/vc_column_text][vc_column_text] [/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]
von Patrick Senn | 17.08.2017 | Gesellschaft, Präsentationstechnik
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Sechs Präsentationen, sechs Mal direktes und unverblümtes Feedback des Publikums. In der Berliner Urania haben am 16. August 2017 Keynote-Speaker ihre Prüfungsauftritte einer Generalprobe unterzogen. Die Speaker absolvieren allesamt den Lehrgang «Professional Speaker», den die German Speakers Association (GSA) zusammen mit der Steinbein Hochschule Berlin anbietet.
Der Applaus des Publikums und das Feedback lassen einige Schlussfolgerungen zu. Zunächst: Die erfolgreichsten und mit dem meisten Applaus bedachten Präsentationen setzten Powerpoint-Folien gar nicht – oder dann nur sehr dezent und reduziert ein. Katrin Gugl beispielsweise verzichtete völlig darauf. Die Retail-Verkaufstrainerin, die insbesondere für Modemarken tätig ist, erzählte stattdessen eine 20-minütige Geschichte, die ihren Anfang beim Berufswunsch ihrer Tochter nahm («Verkäuferin für fliegende Autos») und einen Bogen spannte zur Aussage, der Retail-Verkäufer von heute müsse seinen Kunden in erster Linie glücklich machen.
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte: „Die Folie von Iris Irbah für Ihre Aussage „In die Puschen kommen“.
Je persönlicher – umso emotionaler
Gugl gelang es, das Publikum (das zu einem beträchtlichen Teil aus Fachleuten bestand – Coaches, Trainern, Medienleuten und anderen Speakern) von Beginn weg zu fesseln und nie mehr loszulassen. Das gelang ihr insbesondere durch persönliche Geschichten, durch die sie für das Publikum greifbar wurde. Nicht nur mit dem Beispiel ihrer Tochter, sondern auch beispielsweise mit der Aussage, ein Einkaufserlebnis müsste sich heutzutage in Bezug auf die Erlebnisqualität mit einem Tag im Wellnesshotel mit ihrem Mann (den sie detailliert schilderte) messen lassen.
Die persönliche Geschichte funktionierte auch in der Präsentation von Iris Irbah. Die Beraterin, die Menschen bei der Suche nach einer sinnbildenden Identität unterstützt, stellte ihre eigene Geschichte an den Anfang und erzählte, wie ihre Mutter ihr – Irbah war gerade 40 geworden – eröffnete, dass ihr sozialer Vater – ein Grieche – nicht ihr biologischer Vater war, sondern ein Mann, den die Mutter für kurze Zeit in Paris kennengelernt hatte und der gar nichts von ihrer Existenz wusste. Damit ging die Suche los, und schliesslich fand sie den Mann, der ihr Vater ist – allerdings nicht Franzose, wie vermutet, sondern Algerier.
Integrales Designkonzept wird wahrgenommen
Anhand ihrer eigenen Geschichte verdeutlichte Irbah, wie die eigene Identität sich im Laufe des Lebens wandeln kann und ermutigte das Publikum, sich Gedanken zu machen und auch mal Begrenzungen oder «Realitäten» zu ignorieren auf dem Weg, sich selbst und seine Bestimmung zu finden.» Irbah setzte dezent Folien ein, meist aber vor allem, um Gedanken zu visualisieren, indem Sie grossflächig Bilder projizierte. Wenn überhaupt Text, dann waren auf ihren Bildern nicht mehr als ein oder zwei Stichworte zu finden. Einleuchtend dafür ihr Bild von Knetmasse, die für sie versinnbildlicht, dass jeder Einzelne es in der Hand hat, sein Leben zu formen. Positiv gewertet wurde vom Publikum auch das Farbkonzept Irbahs: Die Rotfarben zieht sich durch ihre gesamte Präsenz durch: Begonnen bei ihrem Kleid, über den Schriftzug bis zu den Farbwelten auf den Bildern.
Ganz auf Powerpoint verzichtete auch Martina Rattinger, die ein flammendes Plädoye für die EU (oder war es für Europa?) zum Thema ihrer Keynote machte. Sie operierte mit einigen Zahlen, beispielsweise, wenn sie Bruttoinlandprodukte verglich oder über Bussgelder der EU gegen grosse internationale Konzerne wie Google sprach, die sie gleichwohl nicht visuell unterstützte – und es funktionierte. Dafür setzte sie auf das Mittel der greifbaren Gegenstände: Zur Verdeutlichung, wie bequem das Einkaufen innerhalb der Europäischen Union geworden sei, brachte sie ihre Einkaufstasche mit und legte die Dinge aus, die sie in den letzten 48 Stunden gekauft hatte: Eine Seife in den Ferien in Antibe, italienische High Heels (was sonst…) auf der Rückreise nach Österreich und Würste aus Kärtnen (vakumverpackt!). Botschaft: Dank der EU ist es ohne Währungswechsel und Zollärger möglich, in den verschiedensten Ländern Europas einzukaufen.
Knetmasse als Sinnbild dafür, wie sich jeder Mensch sein Leben selbst formen kann.
Publikumseinbezug. Ist vielleicht weniger mehr?
Deutlich gelebt wurde in praktisch allen Präsentationen auch die Idee, das Publikum in irgend’ einer Form zu aktivieren und miteinzubeziehen. Manfred Aull, der die These vertrat, es bringe mehr, an seinen Schwächen zu arbeiten als seine Stärken weiter zu stärken, bat das Publikum mehrfach, durch Handzeichen Fragen zu beantworten: «Wer glaubt, es bringe mehr, seine Stärken weiter zu verbessern?» Sandra Gehmaier, die sich mit 21 Jahren als Fotografin selbstständig machte und darüber sprach, wie sie dank online-Marketing ohne Kaltakquise auskommt, fotografierte das Publikum von der Bühne herab und forderte es zu allerlei Aktionen auf- am Ende auch zu einer (inszenierten) Standing Ovation. Rosemarie Cezkalla verdeutlichte den Kontrollverlust am Arbeitsplatz dadurch, dass sie das Publikum aufforderte, in Kleingruppen zu diskutieren – und stellte dann fest, dass sie selbst die Kontrolle am meisten verlor, weil es kaum mehr gelang, das Publikum wieder zurückzuholen. Katrin Gugl platzierte Zuschauer/innen im Saal um, um den Begriff «Disruption» zu verdeutlichen.
Insgesamt überzeugte der Publikumseinbezug in der gezeigten Art und Weise allerdings mässig und wirkte zu oft als ein gesuchtes Element, das es halt auch noch eingebaut werden sollte. Bei keinem der Beispiele konnte der Einbezug des Publikums einen Mehrwert für die Vermittlung der Botschaft schaffen, und in einen direkten und auch gehaltvollen Dialog mit dem Publikum zu kommen, gelang niemandem der Präsentierenden – was aber möglicherweise innerhalb eines Zeitrahmens von 20 Minuten auch gar nicht gelingen kann.
Fazit:
- Geschichten funktionieren. Je persönlicher sie sind und je spezifischer sie zur Botschaft passen, umso überzeugender
- Publikumseinbezug wirkt dann, wenn er über rhetorische Fragen hinausgeht oder wenn z.B. Meinungsabfragen («Wer findet, dass…») dann auch inhaltlich verwertet werden (z.B.: «Interessant, sie liegen genau im Durchschnitt. Ein repräsentative Umfrage hatte nämlich ergeben….»)
- Powerpoint kann unterstützen, muss aber nicht sein. Am intensivsten war das Publikumserlebnis bei denjenigen Speakern, die darauf verzichteten oder PP nur sehr dezent einsetzten.
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