Analyse

Wann Schweigen Gold ist

In Kalender-Woche 2/2024 hat eine alte Bekannte des Boulevards für ein Entrüstungs-Stürmchen gesorgt. Das kryptische Insta-Video von Christa Rigozzi ist ein gutes Beispiel dafür, wann Schweigen die bessere Wahl ist.

Christa Rigozzi, ehemalige Miss Schweiz mit Intelligenzfaktor und Schweizer Boulevard-Prinzessin, meldete sich am Dienstagabend auf Instagram mit einem Video, das von vielen Medien als «verstörend» eingeordnet wurde. Es sei etwas Schlimmes passiert, berichtet Rigozzi, und sie brauche jetzt erst einmal Zeit, das zu verarbeiten. Ihre ganze Familie sei betroffen, aber es seien alle gesund.

Der weitere Verlauf

Die Geschichte erbrachte in der Folge gemäss Schweizerischer Mediendatenbank 33 Artikel, nebst den üblichen Verdächtigen wie BLICK.CH, NAU.CH, WATSON.CH, oder der SCHWEIZER ILLUSTRIERTEN berichteten auch die WELTWOCHE oder der BOTE DER URSCHWEIZ. Und: Natürlich liessen es die Boulevardmedien nicht beim Zitieren des Videos bewenden. Rigozzi kündigte an, zu einem späteren Zeitpunkt Genaueres zu erzählen. Es ging dann keinen halben Tag, bis NAU.CH und der BLICK vermeldeten, was das Schlimme war: In der Villa der Rigozzis im Tessin war eingebrochen worden, während die Familie über die Festtage in den Ferien im Wallis weilte (was Christa natürlich über Social Media auch weitherum kundgetan hatte).

20MINUTEN.CH stellte in der Folge die Frage, ob es unvorsichtig sei, Ferienposts zu veröffentlichten und damit potentiellen Kriminellen zu signalisieren: Wir sind nicht zuhause. «Wenn man im Voraus oder in Echtzeit und öffentlich zeigt, dass man nicht zu Hause ist, können sich das Einbrecher zunutze machen», zitiert die Zeitung Adrian Gaugler von der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten der Schweiz. BLICK.CH ergänzt in einem Follow-up Artikel, die Rigozzis würden sich auch häufig genug in ihrem Anwesen inszenieren, sodass es «nicht allzu schwer sein» dürfte, «den genauen Standort des Hauses herauszufinden.»

Viktor Giacobbo und andere spotten:

«Der Einbruch in die von den People-Medien oft gezeigte Villa, wo Christa so gerne zurückgezogen lebt, ist Gott sei Dank glimpflich verlaufen – ihr Smartphone wurde nicht gestohlen.»

Die Reaktionen

Als die erste Nachricht die Runde machte, erlebt Rigozzi zunächst viel Zuspruch aus der Welt der Cervelat-Prominenten. «Viel Kraft Euch Vieren!» zitierte BLICK.CH die «Happy Day»-Moderatorin Kiki Maeder in seinem Titel. Klar, man musste ja vermuten, vielleicht sei jemand schwer erkrankt oder gar verstorben.

Als dann der tatsächliche Grund für das kryptische Video bekannt wurde, der Einbruch eben, änderte sich vielerorts die Tonalität. Public Relations Experten und andere fragten sich, ob Rigozzi das Unglück nur benutzt habe, um sich in der Presse in Erinnerung zu rufen.

Die WELTWOCHE erinnerte daran, dass jedes Jahr Zehntausende vom selben Schicksal getroffen würden, ohne dass die Medien darüber auch nur ein Wort verlieren würden. Und einige, wie der ehemalige TV-Satiriker, machten sich gar lustig über Rigozzis Kommunikations-«Strategie.»

Nun ist die Rigozzi keine Anfängerin auf dem Gebiet und hat Kommunikations-Wissenschaften studiert. Man würde erwarten, dass Sie weiss, was sie tut. Oder ist das Temperament mit ihr durchgegangen? – Das erste Mal wäre es nicht: Vor drei Jahren machte sei bereits einmal negative Schlagzeilen, als sie, ebenfalls über Social Media, ein Restaurant gedisst hatte, weil dieses ihrer Aussage nach ihre Reservation nicht korrekt gehandhabt hatte.

Schon damals hatte es auch ordentlich Haue abgesetzt. Kritiker hatten wenig Verständnis dafür, dass «die Rigozzi» mit ihrer geballten medialen Macht einen Restaurantbetreiber für einen Fehler in aller Öffentlichkeit blossstellte. Hat sie nichts aus der damaligen Affaire gelernt? 

Bis zum Erscheinen dieses Posts hat sich Rigozzi nicht mehr in der Sache geäussert.

Die Lehren

Der Lehren sind gleich mehrere. Zunächst ein Wort zur Verteidigung von Rigozzi: Die Aussage, Privates gehöre halt nicht auf Instagram (und Konsorten), greift unseres Erachtens zu kurz. Im Rahmen einer Positionierungs- und Selbstmarketing-Strategie ist es für Menschen, die als Leaderfiguren wahrgenommen werden wollen und/oder von der öffentlichen Präsenz leben heutzutage sehr wohl angezeigt, auch gewisse persönliche Aspekte öffentlich zu kommunizieren. Nur so machen Sie sich als Menschen fassbar.

Wichtig aber eben: Solche persönlichen Elemente sollten im Rahmen einer durchdachten und reflektierten Strategie in die eigene Publizität einfliessen und dem Zweck dienen, die eigene Positionierung zu unterstützen.

Ob die Einbruchs-Geschichte dafür hilfreich war, darf bezweifelt werden. NAU.CH rechnet zwar vor, dass das Engagement auf Rigozzis Instaseite (ein Gradmesser dafür, wieviel «Action» jemand hat) am 10. Januar mit 1.7 Prozent deutlich höher war als noch eine Woche zuvor (0.88). Nur eben: Wenn damit ein negativer Imagebeitrag einher geht, hilft auch das höhere Engagement wenig.

 

Wir raten deshalb dazu, sich für die eigene Positionierung und Öffentlichkeitsarbeit auf Social Media einige Fragen schon ganz konkret zu beantworten, bevor man überhaupt startet. Fragen wie beispielsweise:

  • Sind andere Mitglieder meiner Familie und/oder mein Beziehungsstatus Teil meiner Positionierung und im Bild zu sehen?
  • Zeige ich meine privaten Räumlichkeiten (Wohnung)?
  • In welchen Desscodes zeige ich mich öffentlich: Business? Casual? In Sportsachen? In Badesachen?
  • Welche Arten von privaten Erlebnissen teile ich mit der Öffentlichkeit?
  • etc.

Um Sicherheitsrisiken zu verringen, posten übrigens viele ihre Geschichten einfach mit einer Verzögerung. Die Geschichten aus den Ferien erscheinen dann halt erst, wenn ich schon wieder zurück bin.

 

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