Es ist eine der schwierigsten Aufgaben, denen wir Kommunikationsexperten ausgesetzt sind: Eine Zeitung berichtet eine Unwahrheit, manchmal auch eine Wahrheit, oft eine Belanglosigkeit aus längst vergangenen Tagen. Objektiv betrachtet tendiert die Halbwertszeit solcher Veröffentlichungen in vielen Fällen gegen Null. Solange einem Wirtschaftskapitän, Amtsdirektor oder politischen Opinion-Leader nicht gerade Straftaten vorgeworfen oder ein so vollumfängliches Versagen unterstellt wird, dass ein Karriereknick unabwendbar erscheint, ist eine solche Publikation deshalb meist nicht weiter nennenswert.
Ausser dass, und das passiert regelmässig, die Betroffenen selbst sehr viel sensibler auf solche Publikationen reagieren. Je weniger Gegenwind sie auf ihrer Position gewohnt sind, umso schmerzhafter ist es für sie, wenn ihnen ein Medienschaffender ans Bein pinkelt mit irgend‘ einer Lappalie. Das ist menschlich verständlich und nachvollziehbar. Genau so wie ihr Wunsch, die eigene Kommunikationsabteilung möge gemeinsam mit dem Legal Office nicht nur den Medienschaffenden selbst, sondern am besten auch gleich noch seinen Chefredaktor und auch noch den Verleger strafrechtlich belangen wegen übler Nachrede, eventualiter Verleumdung, Falschanschuldigung, Beleidigung und was da sonst noch alles in Frage kommt. Zeitgleich, so der verständliche Wunsch, möge jedem Individuum auf dem Planeten mitgeteilt werden, dass die publizierte Darstellung sachverhaltswidrig sei und sich in Wahrheit alles ganz anders zugetragen habe.
Wie gesagt: Diese Reaktion ist menschlich noch so verständlich. Wer lässt sich schon gerne von einem Journalisten vorführen, der meist schlecht recherchiert von von dritt- oder viertklassigen Quellen zugetragene Hören-Sagen-Geschichten veröffentlicht. – Und sich dann hinter dem Quellenschutz verstecken darf, wenn man von ihm wissen möchte, wer denn solchen Unsinn erzähle.
Dennoch: Den noch so nachvollziehbaren Rache- oder Korrekturgelüsten nachzugeben ist meist der grösste Fehler, den es in der Situation zu machen gibt. Und hier zeigt sich die Qualität sowohl der internen Kommunikationsfachleute als auch der externen Partner: Gelingt es ihnen, ihre Patrons von den Gegenmassnahmen abzuhalten, die dann nämlich erst zur Folge haben, dass ein jeder wahrnimmt, was ansonsten kaum einer gelesen und sich schon gar nicht memoriert hätte. Denn fast immer sind es erst die Dementis und Strafanzeigen, die dann so richtig Medienkarriere machen und auch noch im Hinterpfupfinger Anzeiger zu einer Geschichte werden.
Die Migros und ihre Kommunikation hat heute diesbezüglich nicht eben geglänzt. Was war passiert? Die Bilanz hatte in einem Artikel zur Frage, wie es nach dem Abgang von Dieter Berninghaus weitergehen möge, im Konjunktiv von nicht genannten internen Quellen geschrieben, es hätte offenbar ab und an laute Auseinandersetzungen zwischen Berninghaus und CEO-Herbert Bolliger gegeben. Das hätte wohl kaum einen weiter interessiert, hätte nicht die Migros mit der grossen Keule zurückgeschlagen und über den grösstmöglichen Verteiler eine Gegendarstellung nachgereicht, diese Darstellung sei so falsch. Was sie damit erreicht hat? Dass sich jetzt ein jeder überlegt, ob es vielleicht doch so gewesen sein könnte wie von der Bilanz berichtet. Sogar die, welche noch nie eine Bilanz in der Hand hatten.
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