von Patrick Senn | 30.11.2024 | Uncategorized
Klagen wegen schlecher Presse?
Soll man bei medialen Beleidigungen juristisch vorgehen? – Wir meinen: Solange es lediglich um den eigenen Stolz geht: Besser nicht.
Gleich in zwei Fällen zeigt sich innert kürzester Zeit, dass medienrechtliche Schritte oftmals das Gegenteil dessen erreichen, was sie sollen, und die Reputation nur noch mehr beschädigen. Gegen Medien oder Autoren vorzugehen, sollte deshalb immer gut überlegt sein.
Fall 1.
Ein Bündner Ex-Richter fühlt sich beleidigt
Das jüngste Beispiel dazu ist der Bünder ex-Verwaltungsrichter, welcher vor rund drei Jahren eine Gerichtspraktikantin vergewaltigt haben soll. Der Richter wurde im November 2024 erstinstanzlich verurteilt, es gilt aber bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Was war passiert? Der Fall wurde bereits zwei Jahre früher publik, im Dezember 2022. Damals hatten zeitgleich die SONNTAGSZEITUNG, die SÜDOSTSCHWEIZ und das Justizportal INSIDE-JUSTIZ über die Vorwürfe berichtet. In letzterem Medium hatte anschliessend ein Leserbriefschreiber den Beschuldigten als «arroganten Grosskotz» bezeichnet, woraufhin dieser eine Stafanzeige gegen den Leserbriefschreiber und den Chefredaktor von INSIDE JUSTIZ einreichte.
Das Verfahren gegen den Chefredaktor wurde rasch eingestellt, ein halbes Jahr später wurde der vermeintliche Leserbriefschreiber – ein 72-jähriger Mann in Chur – wegen übler Nachrede verurteilt. Letzterer Vorgang fand schweizweit breite Abdeckung auch in publikumsträchtigsten Medien wie TAGES-ANZEIGER oder 20 MINUTEN. Sie alle berichteten unter ausführlicher Nennung der Vorwürfe – was Medien auch straffrei dürfen: Die wahrheitsgemässe Berichterstattung über Gerichtsverfahren (und Strafbefehle gehören dazu) ist erlaubt. Resultat: Die mutmassliche Beleidigung wurde nun plötzlich hunderttausendfach publiziert und weiterverbreitet. Den ursprünglichen Leserbrief hatten wahrscheinlich nur ein paar hundert Leute überhaupt zur Kenntnis genommen (er war von der Redaktion von INSIDE JUSTIZ nach kurzer Zeit gelöscht worden, und INSIDE JUSTIZ ist eine kleines Medium, das vor allem von Juristen und Journalisten gelesen wird), mittlerweile kennt die halbe Schweiz den Vorwurf.
Screenshots: Sowohl der TAGESANZEIGER wie auch 20 MINUTEN – zwei der reichweitenstärksten Schweizer Medientitel, berichteten über das Verfahren und verbreiteten die Vorwürfe weiter.
Bild: Ausschnitt aus der Strafanzeige (zitiert nach INSIDE JUSTIZ)
Ein klassisches Eigentor. Und die Erkenntnis, dass Strafanzeigen gegen Medien oder auch Leserbriefschreiber gut überlegt sein sollten. Insbesondere, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass unter Medienschaffenden häufig eine Solidarität über die eigene Redaktion hinweg herrscht und sich die Kolleginnen und Kollegen untereinander häufig kennen und gut vernetzt sind: Wer sich mit einem Medientitel anlegt, legt sich mit den Medienschaffenden insgesamt an. Und das dürfte in den wenigsten Fällen eine erfolgsversprechende Strategie sein.
Fall 2.
Minister Habeck greift zum Zweihänder
Das zweite Beispiel betrifft den deutschen Wirtschaftsminister und Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck. Zur etwa gleichen Zeit wurde bekannt, dass ein Twitter-User ein Meme (eine Karikatur) weitergeleitet hatte, die das Bild von Habeck zeigte und darunter, im Design und mit Logo des Haarprodukteherstellers «Schwarzkopf», den Schriftzug «Schwachkopf». Habeck gab die beleidigte Leberwurst und reichte Strafanzeige an. Die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft und Gericht) in Bamberg, für ihre rüde Unterwanderung der Meinungsäusserungsfreiheit landesweit bekannt, ordnete eine Hausdurchsuchung bei dem Twitterer an. Bei dem Mann handelt es sich um einen älteren Herrn und Vater einer Tochter mit Trisomie 21.
Die völlig verhältnislose Hausdurchsuchung am Morgen früh kurz nach sechs wurde zu einer landesweiten Geschichte und von allen einschlägig bekannten Polit-Influencers auf Twitter, Youtube, Instagram und TikTok rauf und runtergenudelt. – Habeck, der als Kanzlerkandidat der Grünen eigentlich grad’ dringend auf Sympathiepunkte angewiesen wäre, wurde zum Buhmann. Erst recht, als auskam, dass er während seiner Ministerzeit schon über 800 Strafanzeigen wegen Majestätsbeleidigung eingereicht hatte. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte müssten sich mit Banalitäten herumschlagen, die halt zum politischen Alltag gehörten, statt dass sie sich den tatsächlich gefährlichen Straftätern zuwenden könnten, argwöhnten die einen. Die Obrigkeit könne nicht mit Kritik umgehen, es herrschten in Deutschland Zustände wie in autokratischen Systemen, monierten andere. Vor allem wurde auch hier das ursprüngliche Meme wohl hunderttausendfach weiterverbreitet, es wurden T-Shirts bedruckt mit Sprüchen wie «Schwachkopf… ich darf’s nicht sagen, aber Du weisst schon, wer gemeint ist» u.ä.
Ein komplettes Eigentor auch hier. Das eigentlich harmlose Meme, das eine PEP (Politisch exponierte Persönlichkeit) eigentlich locker wegstecken sollte, wird zum Symbol für einen dünnhäutigen Minister, der lieber missliebige Bürger strafrechtlich verfolgt, statt sich um seine eigentliche Aufgabe als Wirtschaftsminister zu kümmern und dafür zu sorgen, dass Deutschland aus der selbstverschuldeten Rezession findet.
Quintessenz
Natürlich muss man sich nicht alles bieten lassen. So wird wohl kaum ein Medienschaffender kritisch darüber berichten, wenn sich exponierte Personen z.B. bei konkreten Drohungen zur Wehr sitzen («Ich weiss, wo Du wohnst», «Ich kenne Deine Kinder», etc.). Dünnhäutigkeit im politischen Diskurs wird aber nicht als Zeichen der Stärke wahrgenommen, im Gegenteil. Und juristische Schritte aus einer Position der Macht («Goliath») gegen einen einfachen Bürger (« David») bringen keine Sympathie, für viele Medien und Soziale Medien aber einen guten Aufhänger, um die inkriminerten Vorwürfe im Rahmen der Berichterstattung über die rechtlichen Schritte weiter zu verbreiten.
Mein Vater sel. pflegte in solchen Situation treffend zu sagen: «Was kümmert es den Mond, wenn ihn ein Hund anbellt.» Etwas mehr von dieser Contenance wäre häufig die vernünftigere Strategie als der Gang zum Rechtsanwalt.
von Patrick Senn | 09.03.2018 | Krisenkommunikation, Krisenmanagement
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Die Schweizer Post steht seit Wochen am Pranger – seit bekannt wurde, dass bei einer Tochter, der Postauto AG, mit Zahlen getrickst und so zu hohe Subventionen von Bund und Kantonen, möglicherweise auch noch von Gemeinden, eingetrieben wurden. Kommunikativ glänzt die Postführung dabei nicht sonderlich. Das jüngste Debakel: Ein Schreiben, mit dem sich Postauto-Partnerfirmen einer Geheimhaltungsvereinbarung unterwerfen sollen.
Zunächst: Wir sind immer vorsichtig bei Analysen von Krisenkommunikationssituationen. Zu oft sind wichtige Punkte aus dem Lagebild, welche die Kommunikationsstrategie prägen, uns als Publikum nicht bekannt – würden aber nachvollziehbar machen, warum ein bestimmter Weg eingeschlagen wurde.
Manchmal geschehen aber auch Kommunikationsfehler, die sich schlechterdings nicht erklären lassen. Das Verrückte dabei: Es sind immer wieder die „alten Klassiker“, an denen jetzt auch die Post scheitert.
Zunächst die verunglückte Medienkonferenz von Post-CEO Susanne Ruoff am 8. Februar 2018. Die Geschäftsleiterin gibt dort an, sie habe „von den Vorwürfen des BAV“ erst im November 2017 erfahren. Und insinuiert damit, erst seit kurzem von dem Problem „in einer Ecke der Postauto AG“ gewusst zu haben. Der Blick enthüllt schon am Tag darauf, dass dem nicht so sei und bezichtigt Ruoff der Lüge. Die Post-Chefin habe schon seit 2013 um die Problematik gewusst. Ruoff versucht sich damit herauszureden, erst seit November 2017 sei von illegalen Praktiken die Rede gewesen.
Der Fehler: Ruoff hat es mit einer Schlaumeierei versucht: Sie hat wohl tatsächlich keine Lüge erzählt, denn der Satz, von den Vorwürfen des BAV habe sie erst seit 2017 gewusst, stimmt wohl so. Das BAV war ja selbst erst im Rahmen einer Revision im Herbst 2017 auf die illegalen Verbuchungen gestossen. Gleichwohl hat Ruoff verheimlicht, dass das Problem ein altes war und die Problematik schon seit 2013 auf der Traktandenliste. Mit anderen Worten: Sie hat Transparenz vermissen lassen und damit die negative Presse nachgerade heraufbeschworen. Denn: Schlaumeiereien funktionieren in der Medienwelt nicht: Es zählt nicht der Buchstabe des Gesagten, sondern der Eindruck, der vermittelt wird. Der Grundsatz im Einmaleins der Krisenkommunikation lautet darum auch: Wenn klar ist, dass ein Fakt sowieso an die Öffentlichkeit kommt, besser die Fakten gleich selbst kommunizieren, als warten, bis sie einem um die Ohren fliegen und zusätzlich auch noch der Vorwurf des Vertuschungsversuchs erhoben wird. Wie gross das Risiko ist, dass Fakten an die Öffentlichkeit gelangen, muss bei der Lagebeurteilung kritisch diskutiert werden. Wenn, wie vorliegend, die CEO von der eigenen Verantwortung abzulenken versucht und dafür zwei Manager der Postauto-Tochter opfert, liegt es mehr als nahe, dass einzelnen Medienschaffenden bald Dokumente zugespielt werden. Ich gehe gerne vom Grundsatz aus: Sobald es zwei wissen, ist es öffentlich.
Und heute der zweite Streich: Die Geheimhaltungsverpflichtung. Auch das ein Klassiker der Krisenkommunikation. Selbstverständlich will jede Organisation, gerade in der Krise, dass keine internen, und schon gar keine belastenden Dokumente nach aussen gelangen. Dass Geheimhaltungsvereinbarungen und Sprechverbote dafür der falsche Weg sind, ist allerdings hinlänglich bekannt und eigentlich Teil des kleinen Einmaleins der Krisenkommunikation. Jedes Kommunikationsverbot läuft nämlich Gefahr, von den Medien zum „Maulkorb“ hoch skandalisiert zu werden. Die Blick-Schlagzeile vom 9. März 2018 ist der klassische Beleg dafür.

Was wäre stattdessen zu tun? Zunächst: Es gibt keine Sprechverbote, aber Weisungen, anfragende Medienleute dorthin zu weisen, wo sie professionell bedient werden: an die Medienstellen. Sollte sich ein Medienschaffender an eine falsche Stelle in Ihrer Organisation verirren, ist die Antwort einfach: „Ich kann Ihnen keine Auskunft erteilen, aber die Medienstelle macht das gerne. Ich verbinde Sie!“. Und auf die Nachfrage, ob die Firmenleitung einen Maulkorb verhängt habe: „Überhaupt nicht, aber es ist weder in meiner Kompetenz noch meine Aufgabe, Auskünfte zu erteilen.“ Idealerweise wird das den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht erst vermittelt, wenn schon Feuer im Dach ist, sprich: Die Krise in vollem Gang Wir empfehlen, einmal im Jahr auf diese Thematik hin zu sensibilisieren und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den diesbezüglichen Prozess in Erinnerung zu rufen. Das kann beispielsweise auch mit Mystery-Calls geschehen.
Einen offensiveren Weg in dieser Thematik sind übrigens beispielsweise die kanadischen Streitkräfte gegangen: Sie erlauben jedem einzelnen Soldaten, mit Medienvertretern zu sprechen. Allerdings nur über die Aufgabe, die er jetzt gerade konkret ausführt und über die er auch kompetent berichten kann. Über weitergehende Fragen haben auch die Soldaten an die entsprechende Stelle, den Public Affairs Officer, zu verweisen.
Im vorliegenden Fall der Post geht es um vertrauliche Informationen zwischen der Post und Partnerfirmen. Der Zeitpunkt, genau jetzt eine solche Geheimhaltungsvereinbarung an die Partner zu senden, ist nicht nur äusserst unsensibel gewählt. Sie muss vom Empfänger auch als Misstrauensbekundung verstanden werden. Wir mutmassen, dass die Rechtsabteilung oder Corporate Governance Abteilung der Post die Urheberin des Schreibens ist. Tatsächlich fehlt es in dieser Management-Displizin immer noch oft an der nötigen Sensibilität im Umgang mit den verschiedenen Anspruchsgruppen. Eine Lösung kann sein, der Stelle eine/n Kommunikationsspezialisten/in beizustellen, um ausgehende Dokumente darauf hin zu überprüfen, wie sie wohl beim Empfänger aufgenommen werden und dann allenfalls flankierende Massnahmen zu setzen. Eine solche hätte sein können, dass die Partner beim nächsten telefonischen oder persönlichen Kontakt darauf hingewiesen werden, warum eine solche Geheimhaltungserklärung nötig ist und was sie für die beiderseitige Geschäftsbeziehung bedeutet.[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/4″][vc_column_text]
Wie lange ist Ihr letztes Medientraining her?
Manchmal muss es ja schnell gehen: Ein Produktrückruf aufgrund eines fehlerhaften Rohstoffs. Ein Mitarbeiter in der Finanzabteilung hat getrickst – und die Medien haben von der sofortigen Freistellung Wind erhalten. Da bleibt nicht mehr viel Zeit, um sich auf die Medieninterviews vorzubereiten.
Wir empfehlen deshalb allen Kommunikationsverantwortlichen und Geschäftsleitungsmitgliedern, Ihre eigene Kompetenz in Sachen Medienrhetorik à jour zu halten. Wir bieten Ihnen den Rahmen dazu. Individuell, persönlich, vertraulich. Bei uns oder bei Ihnen. In wenigen kurzen Sessions, oder einer längeren. Und zu den Themen, die Ihnen Kopfschmerzen bereiten.
Interessiert? Lassen Sie uns eine kurze Notiz zukommen, wir melden uns umgehend bei Ihnen für ein kurzes telefonisches Briefing (10 Minuten) und senden Ihnen eine konkrete, unverbindliche Offerte. Kontakt: info (at) comexperts.ch [/vc_column_text][/vc_column][/vc_row]