Es gab sie nun doch noch, die grosse Sommer-Kontroverse in den Medien. Das Thema: Ein Bauer in Hefenhofen, der offensichtlich seine Tiere nicht den Tierschutzanforderungen entsprechend hält – bzw. gehalten hat. Die Beschuldigten: Ein Pferdehändler und Bauer, mit ihm vor allem aber die zuständigen Thurgauer Behörden, die erst unter dem Druck von Tierschutzorganisationen und Medien gehandelt haben.

Konsequenz bis heute: Zumindest eine Strafanzeige gegen die Thurgauer Amtstierarzt, dazu verschiedene Rücktrittsforderungen an die Adresse des Kantonstiersarztes und massiver Druck gegen den zuständigen FDP-Regierungsrat Walter Schönholzer, dessen politisches Überleben zum gegenwärtigen Zeitpunkt zumindest soweit in Frage gestellt ist, als er sich wohl nicht mehr viel leisten kann. Dazu eine Entschuldigung der Thurgauer Regierung vor dem kantonalen Parlament, dem Grossen Rat.

Der Thurgauer Fall ist ein gutes Beispiel dafür, wie verzahnt Krisenmanagement und Krisenkommunikation sind, und wie das eine ohne das andere nicht funktionieren kann. Ob das allerdings gereicht hätte, bleibt fraglich. Die Fehler passierten hier wohl – soweit das von aussen beurteilt werden kann – schon in den vorgelagerten Management-Diziplinen wie Issues Management und Risikomanagement. Hier die fünf Lehren aus der Krise:

  1. Jede Organisation braucht ein Issues Management. Dieses Instrument kann auch schon mit bescheidenen finanziellen Mitteln und «inhouse», also ohne grosse Cashout-Kosten, aufgesetzt werden. Nur: Gemacht muss es werden.
  2. Jede Organisation braucht ein Risikomanagement, das sich nicht damit begnügen kann, Risiken statisch und in regelmässigen Abständen auf einer abstrakten Ebene zu erfassen. Risikomanagement muss dynamisch sein und in einer Organisation «Fühler» installieren, die melden, wenn sich ein Ereignisfall abzeichnet.
  3. Krisenmanagement heisst, schnell zu reagieren. Schnell heisst innert Stunden, manchmal Minuten. Dafür müssen alle Positionen mit Stellvertretungen geregelt sein, damit eine Organisation auch bei Abwesenheit von einzelnen Verantwortlichen handlungsfähig bleibt.
  4. Die Kommunikation ist Teil des Krisenmanagement-Prozesses und hat insbesondere die Aufgabe, die öffentliche Reaktion auf zur Diskussion stehende Massnahmen des Kristenstabes kritisch zu reflektieren.
  5. Wenn ein Krisenstab Massnahmen beschliesst oder beschliessen muss, die schwierig zu kommunizieren sind, müssen die entsprechende Kommunikation und Antworten auf die kritischen Einwände vorbereitet und die Verantwortungsträger für die konkrete Kommunikation geschult werden.

 

Im Detail:
1. Issues-Management

Issues-Management bezeichnet eine Disziplin, die in Ergänzung zum Risiko-Management die Aufgabe hat, gesellschaftliche, politische, technologische und andere, irgendwie geartete Entwicklungen zu beobachten, die Auswirkungen auf die Tätigkeit der eigenen Organisation haben könnten. Issues Management ist meist das Managementfeld, das am weitesten voraus blickt und sich oft mit Szenarien von Futurologen und Trendforschern auseinandersetzt. Viele Organisationen verorten das Issues Management bei der Kommunikation.

In unserem Beispiel hätte ein richtig aufgezogenes Issues Management etwa seit einiger Zeit darauf hinweisen müssen, dass ein gesellschaftlicher Trend stattfindet, im Zuge dessen der Umgang des Menschen mit Tieren aller Art neu bewertet wird. Immer breitere Teile der Gesellschaft stehen dem bis anhin gelebten Umgang mit Nutz-, aber auch Forschungs- und Zootieren skeptisch gegenüber. Ausdruck davon ist nicht zuletzt der rückläufige Fleischkonsum und/oder der Zuspruch von Lebenskonzepten wie Veganismus oder Vegetarismus.

Diese Entwicklung zeichnete sich auch im Kanton Thurgau im Zusammenhang mit dem Delfinarium im “Connyland” schon vor zwanzig Jahren ab, der Entwicklungstrend hat sich in den letzten Jahren stetig verschärft, wie beispielsweise auch die sehr gehässig geführte Debatte über einen geplanten Tierversuch der Universität Zürich mit drei Makaken-Affen zeigt.

Issues Management muss in diesem Zusammenhang – rechtzeitig! – aufzeigen, dass bislang gelebte und bewährte Konzepte in Zukunft möglicherweise in Frage gestellt werden. Insbesondere für einen Landwirtschaftskanton wie den Thurgau eine Herausforderung, da in sich widersprüchliche Interessen auf die Verantwortlichen einwirken. Einerseits eine starke Bauern-Lobby vor der Haustüre, die gegen eine verschärfte Gangart bei Kontrollen und Tierschutz die Machtbasis der Verantwortlichen ins Wanken bringen kann. Andererseits mit den Tierschützern eine immer stärker und aggressiver agierende Pressure Group, meist nicht aus dem eigenen Kanton, aber mit guten Zugang zu den nationalen Medien.

Diese Entwicklung im Themenfeld «Mensch – Tier» müsste im Übrigen heute jede Organisation auf dem Radar haben, welche in der einen oder anderen Form mit dem Thema «Tier» zu tun hat. Ganz besonders gilt das für Organisationen, welche tierische Produkte verwenden oder herstellen, von der Lebensmittel- über die Bekleidungs-Industrie, die Medizin bis zur Kosmetikbranche. Professionelles Issues Management müsste dann dazu führen, dass die eigene Positionen gegenüber der Thematik intensiv geprüft und entschieden wird, welche konkreten Risiko aus dem Issue erwachsen und wie mit diesem Risiko umgegangen wird – allenfalls mit operativen oder aber mit Kommunikationsmassnahmen.

Demonstration gegen die Thurgauer Behörden – Traktat der Tierschützer

2. Risiko-Management

Risiko-Management heisst, dass sich eine Organisation immer wieder bewusst macht, welchen konkreten Risiken sie ausgesetzt ist und dazu quasi eine “Risikokarte” erstellt. Risiken gibt es viele: Sie beginnen bei rein finanztechnischen Risiken (z.B. Kursveränderungen bei Währungen…, Ausfallrisiken bei strategischen Debitoren, etc.), gehen über rechtliche und Compliance-Risiken (z.B. Patentstreit, strafrechtliches Verhalten eines Kadermitglieds, etc.) über operative Risiken (was, wenn der Produktionsstandort nach einem Schadensfall für längere Zeit ausfällt?) bis zu den Reputationsrisiken (Ethische Diskussionen über Produkte oder Rohstoffe in den Produkten).

Jedes erkannte Risiko wird dann gewichtet, traditionellerweise im Hinblick auf Eintretenswahrscheinlichkeit und Schadensausmass, und schliesslich definiert, wie die Organisation mit diesem Risiko umzugehen gedenkt. Dabei sind verschiedene Strategien denkbar, vom simplen «Tragen» des Risikos (die Organisation ist sich des Risikos bewusst, kann es aber nicht mindern oder ausschliessen) bis zum Ausschliessen durch entsprechende Massnahmen. Ein politisches Beispiel dazu ist der Verzicht eines Landes auf Kernkraftwerke: Wenn die Risikoeinschätzung dazu führt, dass eine Gesellschaft das Restrisiko eines Austritts von Radioaktivität nicht zu tragen bereit ist, dann ist die Substitution dieser Form der Elektrizitätsgewinnung eine mögliche Strategie, das Risiko auszuschliessen. Andere Möglichkeiten sind noch, Versicherungen abzuschliessen oder durch geeignete Massnahmen das Risiko zu minimieren.

Klar scheint, dass das Risikomanagement des involvierten Thurgauer Departements für Inneres und Volkswirtschaft die Durchsetzung des Tierschutzes auf jeden Fäll als Risikofeld hätte auflisten müssen. In einem Landwirtschaftskanton wie dem Thurgau muss einer Verwaltung bewusst sein, dass sie sich hier auf dünnem Eis bewegt. Umso mehr, als mit dem Verein gegen Tierfabriken VgT und Tierschützer Erwin Kessler eine der determiniertesten und konsequentesten Tierschutzorganisationen auf dem eigenen Boden seine Heimat hat. Auf Stufe des Veterinäramtes wäre sogar zu erwarten, dass dort eine konkrete Liste mit «Risikokandidaten» geführt wird; durch die regelmässigen Kontrollen auf den Höfen müsste der Kantonstierarzt wissen, auf welchen Höfen möglicherweise ähnlich heikle Zustände herrschen. – Weiter wäre die Schwelle zu definieren, bei deren Überschreiten der Krisenm

Entscheidend ist nun, dass rechtzeitig erfasst wird, wenn sich ein Risiko zu manifestieren beginnt, d.h. aus einem bis anhin abstrakten Risiko ein konkreter Eintretensfall wird. Im Falle des Hefenhofener Bauern und Pferdehändlers war diese Grenze schon längst überschritten mit den – strafrechtlich verfolgten – Drohungen des Bauern gegenüber dem Kantonstierarzt. Spätestens ab diesem Moment hätte das Krisenmanagement einsetzen müssen – und zwar eines, das diesen Namen auch verdient.

 

3. Krisenmanagement

Die Alarmzeichen aus dem Risiko- & Issues-Management hätten dazu führen müssen, dass also spätestens ab dem Moment, als der zur Diskussion stehende Pferdehändler und Bauer den Kantonstierarzt bedroht hatte, das Krisenmanagement hätte ausgelöst werden müssen. Krisenmanagement zu diesem Zeitpunkt hätte geheissen, dass nicht nur die notwendigen Schritte rechtlicher Art in Erwägung gezogen werden. – Dies wurde offenkundig nämlich getan, da der Bauer und Pferdehändler ja sogar aufgrund eines Strafverfahrens eine Gefängnisstrafe erhielt. Krisenmanagement heisst dann allerdings auch, alle weiteren Problemfelder zu definieren (dafür gibt es den sogenannten «Problemerfassungsrapport»). Das erste Problem ist zunächst natürlich, wie die Tierschutzvorschriften in Zukunft auf dem Hof durchgesetzt werden können. Gemäss Medien offenbar ein Problem, weil der Bauer und Pferdehändler auch andere Kontrolleure bedrohte. So wurde ein Regime beschlossen, bei dem jede Kontrolle im Vorfeld angemeldet wurde – eine Tatsache, die heute von vielen Kritikern moniert wird.

 

4. Krisenkommunikation

Und genau auf diese absehbare Kritik aufmerksam zu machen, wäre die Aufgabe der Kommunikation im Rahmen eines Krisenstabs gewesen. Dass beim gegebenen Umfeld eine solche nachgebende (und rechtsstaatlich möglicherweise problematische) Haltung nicht nur zu Kritik, sondern gar zu Rücktrittsforderung führen müsste, hätte ein umsichtiges Krisenkommunikationsmanagement bereits vorweggenommen, bevor der Entscheid dafür gefällt worden war. Was nicht bekannt ist: Vielleicht hat die Krisenkommunikation davor auch tatsächlich gewarnt, wurde aber übersteuert. Dann hätte sie aber zumindest die Aufgabe gehabt, sich und die Verantwortlichen darauf vorzubereiten, dieses Vorgehen bestmöglichst gegen Kritik verteidigen zu können. – Dazu hätte gehört, die kritischen Fragen im Vorfeld zu antizipieren und möglichst nachvollziehbare Argumente und Botschaften dazu zu finden sowie die Verantwortlichen darauf hin vorzubereiten, dass diese auch in der Lage gewesen wären, diese möglichst professionell zu vertreten. Auch ob diese Vorbereitung stattgefunden hat, entzieht sich unserer Kenntnis. Es machte zumindest nicht den Anschein.

 

5. Coaching für die Auftritte vor der Öffentlichkeit

Wenn Ihr erster Impuls jetzt ist: «Dafür hat man doch im Ereignisfall gar keine Zeit», dann ist das nicht so falsch. Idealerweise haben Sie einen Auftritt in einer Krisensituation bereits im Rahmen eines Medientrainings, eines Krisenkommunikationstrainings oder als Teil einer Stabsübung durchgespielt und dabei ihre Auftrittskompetenz in heiklen Lagen auf Vordermann gebracht. – Auch dann aber empfehlen wir, eine Stunde der knappen Zeit dafür einzusetzen, jetzt in aller Kürze die beabsichtigten Botschaften für die Öffentlichkeit durchzuspielen. Dabei geht es insbesondere auch darum, dass Sie sich darauf vorbereiten, wie Sie kritische Fragen (und die gehören zu einer Krise dazu) abwenden und wieder auf Ihre Hauptaussage zurückführen können.

Ein Krisencoaching kann je nach Ihrer personellen Besetzung durch die internen Kommunikationsspezialisten durchgeführt werden (falls dafür jemand abgestellt ist), oder aber durch einen externen Dienstleister eingekauft werden.[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=”1/3″ css=”.vc_custom_1503057374453{padding-top: 15px !important;padding-right: 15px !important;padding-bottom: 15px !important;padding-left: 15px !important;}”][vc_column_text css=”.vc_custom_1503057524328{padding-top: 15px !important;padding-right: 15px !important;padding-bottom: 15px !important;padding-left: 15px !important;background-color: #d8d8d8 !important;border-radius: 15px !important;}”]

Profitiert hat die Armee

Des einen Leid, des anderen Freud. Während die Thurgauer Behörden mit viel Medienkritik bedacht worden sind, hat die Schweizer Armee die Kommunikations-Chance genutzt.

Nachdem die Tiere vom Hof des Thurgauer Bauern und Pferdehändlers ins Kompetenzzentrum für Tiere der Armee verbracht worden waren, bot sich für die Kommunikation der Armee die Chance, sich in einem hochemotionalen Umfeld positiv darzustellen und aufzuzeigen, welche Leistungen die Armee in einem solchen Fall erbringen kann. Das Resultat waren herzerweichende Beiträge insbesondere in den Boulevardmedien, begleitet von praktisch ausschliesslich positiven Kommentaren der Leserschaft. Jürg Liechti, Oberst, Berufsinstruktor und selbst studierter Tierarzt, gelang es vorbildlich, mit viel Empathie und in einfachen Worten zu erläutern, was die Armee unternahm, um die Tiere möglichst rasch wieder in einen besseren Zustand zu bringen.

Liechti übrigens hatte im Verlaufe seiner Karriere bei der Armee bereits elf Medientrainings absolviert und war deshalb gut vorbereitet.  Für seine konkreten und fallbezogenen Auftritte wurde er von Armeesprecher Daniel Reist eine zusätzliche Stunde gecoacht.

Verified by MonsterInsights