Klagen wegen «schlechter Presse»? Das kann auch nach hinten losgehen

Klagen wegen «schlechter Presse»? Das kann auch nach hinten losgehen

Klagen wegen schlecher Presse?

Soll man bei medialen Beleidigungen juristisch vorgehen? – Wir meinen: Solange es lediglich um den eigenen Stolz geht: Besser nicht.

Gleich in zwei Fällen zeigt sich innert kürzester Zeit, dass medienrechtliche Schritte oftmals das Gegenteil dessen erreichen, was sie sollen, und die Reputation nur noch mehr beschädigen. Gegen Medien oder Autoren vorzugehen, sollte deshalb immer gut überlegt sein.

Fall 1.

Ein Bündner Ex-Richter fühlt sich beleidigt

Das jüngste Beispiel dazu ist der Bünder ex-Verwaltungsrichter, welcher vor rund drei Jahren eine Gerichtspraktikantin vergewaltigt haben soll. Der Richter wurde im November 2024 erstinstanzlich verurteilt, es gilt aber bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung die Unschuldsvermutung. Was war passiert? Der Fall wurde bereits zwei Jahre früher publik, im Dezember 2022. Damals hatten zeitgleich die SONNTAGSZEITUNG, die SÜDOSTSCHWEIZ und das Justizportal INSIDE-JUSTIZ über die Vorwürfe berichtet. In letzterem Medium hatte anschliessend ein Leserbriefschreiber den Beschuldigten als «arroganten Grosskotz» bezeichnet, woraufhin dieser eine Stafanzeige gegen den Leserbriefschreiber und den Chefredaktor von INSIDE JUSTIZ einreichte.

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Gerichtsverfahren und auch Strafbefehle sind öffentlich

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Journalisten halten zusammen

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Klagen führen oft zu mehr negativer Publizität und sind kontraproduktiv

Das Verfahren gegen den Chefredaktor wurde rasch eingestellt, ein halbes Jahr später wurde der vermeintliche Leserbriefschreiber – ein 72-jähriger Mann in Chur – wegen übler Nachrede verurteilt. Letzterer Vorgang fand schweizweit breite Abdeckung auch in publikumsträchtigsten Medien wie TAGES-ANZEIGER oder 20 MINUTEN. Sie alle berichteten unter ausführlicher Nennung der Vorwürfe – was Medien auch straffrei dürfen: Die wahrheitsgemässe Berichterstattung über Gerichtsverfahren (und Strafbefehle gehören dazu) ist erlaubt. Resultat: Die mutmassliche Beleidigung wurde nun plötzlich hunderttausendfach publiziert und weiterverbreitet. Den ursprünglichen Leserbrief hatten wahrscheinlich nur ein paar hundert Leute überhaupt zur Kenntnis genommen (er war von der Redaktion von INSIDE JUSTIZ nach kurzer Zeit gelöscht worden, und INSIDE JUSTIZ ist eine kleines Medium, das vor allem von Juristen und Journalisten gelesen wird), mittlerweile kennt die halbe Schweiz den Vorwurf.

Screenshots: Sowohl der TAGESANZEIGER wie auch 20 MINUTEN – zwei der reichweitenstärksten Schweizer Medientitel, berichteten über das Verfahren und verbreiteten die Vorwürfe weiter.

Bild: Ausschnitt aus der Strafanzeige (zitiert nach INSIDE JUSTIZ)

Fazit 1:

Ein klassisches Eigentor. Und die Erkenntnis, dass Strafanzeigen gegen Medien oder auch Leserbriefschreiber gut überlegt sein sollten. Insbesondere, wenn man selbst im Glashaus sitzt. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass unter Medienschaffenden häufig eine Solidarität über die eigene Redaktion hinweg herrscht und sich die Kolleginnen und Kollegen untereinander häufig kennen und gut vernetzt sind: Wer sich mit einem Medientitel anlegt, legt sich mit den Medienschaffenden insgesamt an. Und das dürfte in den wenigsten Fällen eine erfolgsversprechende Strategie sein.

Fall 2.

Minister Habeck greift zum Zweihänder

Das zweite Beispiel betrifft den deutschen Wirtschaftsminister und Grünen-Kanzlerkandidat Robert Habeck. Zur etwa gleichen Zeit wurde bekannt, dass ein Twitter-User ein Meme (eine Karikatur) weitergeleitet hatte, die das Bild von Habeck zeigte und darunter, im Design und mit Logo des Haarprodukteherstellers «Schwarzkopf», den Schriftzug «Schwachkopf». Habeck gab die beleidigte Leberwurst und reichte Strafanzeige an. Die Strafverfolgungsbehörden (Staatsanwaltschaft und Gericht) in Bamberg, für ihre rüde Unterwanderung der Meinungsäusserungsfreiheit landesweit bekannt, ordnete eine Hausdurchsuchung bei dem Twitterer an. Bei dem Mann handelt es sich um einen älteren Herrn und Vater einer Tochter mit Trisomie 21.

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David-Goliath-Prinzip: Aus einer Machtposition heraus vorzugehen bringt keine Sympathiepunkte

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Dünnhäutigkeit zeugt nicht von politischer Stärke

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Anzeigeerstatter wird auch für unverhältnismässiges Vorgehen der Behörden direkt verantwortlich gemacht

Die völlig verhältnislose Hausdurchsuchung am Morgen früh kurz nach sechs wurde zu einer landesweiten Geschichte und von allen einschlägig bekannten Polit-Influencers auf Twitter, Youtube, Instagram und TikTok rauf und runtergenudelt. – Habeck, der als Kanzlerkandidat der Grünen eigentlich grad’ dringend auf Sympathiepunkte angewiesen wäre, wurde zum Buhmann. Erst recht, als auskam, dass er während seiner Ministerzeit schon über 800 Strafanzeigen wegen Majestätsbeleidigung eingereicht hatte. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte müssten sich mit Banalitäten herumschlagen, die halt zum politischen Alltag gehörten, statt dass sie sich den tatsächlich gefährlichen Straftätern zuwenden könnten, argwöhnten die einen. Die Obrigkeit könne nicht mit Kritik umgehen, es herrschten in Deutschland Zustände wie in autokratischen Systemen, monierten andere. Vor allem wurde auch hier das ursprüngliche Meme wohl hunderttausendfach weiterverbreitet, es wurden T-Shirts bedruckt mit Sprüchen wie «Schwachkopf… ich darf’s nicht sagen, aber Du weisst schon, wer gemeint ist» u.ä.

Fazit 2:

Ein komplettes Eigentor auch hier. Das eigentlich harmlose Meme, das eine PEP (Politisch exponierte Persönlichkeit) eigentlich locker wegstecken sollte, wird zum Symbol für einen dünnhäutigen Minister, der lieber missliebige Bürger strafrechtlich verfolgt, statt sich um seine eigentliche Aufgabe als Wirtschaftsminister zu kümmern und dafür zu sorgen, dass Deutschland aus der selbstverschuldeten Rezession findet.

Quintessenz 

 

Natürlich muss man sich nicht alles bieten lassen. So wird wohl kaum ein Medienschaffender kritisch darüber berichten, wenn sich exponierte Personen z.B. bei konkreten Drohungen zur Wehr sitzen («Ich weiss, wo Du wohnst», «Ich kenne Deine Kinder», etc.). Dünnhäutigkeit im politischen Diskurs wird aber nicht als Zeichen der Stärke wahrgenommen, im Gegenteil. Und juristische Schritte aus einer Position der Macht («Goliath») gegen einen einfachen Bürger (« David») bringen keine Sympathie, für viele Medien und Soziale Medien aber einen guten Aufhänger, um die inkriminerten Vorwürfe im Rahmen der Berichterstattung über die rechtlichen Schritte weiter zu verbreiten.

Mein Vater sel. pflegte in solchen Situation treffend zu sagen: «Was kümmert es den Mond, wenn ihn ein Hund anbellt.» Etwas mehr von dieser Contenance wäre häufig die vernünftigere Strategie als der Gang zum Rechtsanwalt.

Wie Apple sich seine Reputation zerstört

Wie Apple sich seine Reputation zerstört

Wie Apple grad‘ seine Reputation zerstört

Apple ist legendär für seine Werbung, insbesondere seine Videos.. Naja, sagen wir: Einige der Werbevideos. Beispielsweise den Sport 1984, ausgespielt in der Pause des Superbowls.

Der Werbespot visualisiert eine Hundertschaft von gleichgeschalteten und gleichgetakteten Menschen. So, wie der Autor George Orwell im Jahr 1949 (!) in seinem Roman «1984» die Zukunft der Menschen in einem totalitären Überwachungsstaat mit Gleichschaltung und totaler Kontrolle beschrieben hatte. Dazwischen ist eine junge Athletik mit einem Vorschlaghammer zu sehen, welche die Videoübertragung des «Herrschers» zerstört, gefolgt vom Text, dass Apple Computer am 24. Januar den Macintosh einführen und zeigen werde, warum 1984 nicht sein werde wie «1984».

Ebenso in bester Erinnerung ist die Serie von 66  Spots zwischen 2006 bis 2009, als Apple sein eigenes Universum mit einem jungen, attraktiven Mann personifizierte, und Mitbewerber PC als einen etwas fülligen, unattraktiven Spiessbürger darstellte.  Während der Windows-Mann in den Spots von den vielfältigsten Problemen erzählte, die ihm das Leben aufbürdete, konnte der Apple-Mann regelmässig kontern, wie einfach ihm das fallen würde. Meta-Botschaft: Wir sind cool, dynamisch und jung. Windows ist was für die Spiesser.

Was haben wir Apple-Jünger von damals geschmunzelt und uns gut gefühlt! – Eine solche Kampagne wäre heutzutage natürlich nicht mehr möglich: Beide Schauspieler waren weiss und Männer. Geht 2024 natürlich gar nicht!

Unterdessen scheint Apples Gespür für den feinen Humor oder die dramatische, aber intelligente Inszenierung ziemlich brachialen Gewaltphantasieren gewichen zu sein. An der jüngsten Apple-Veranstaltung stellte CEO Tim Cook einen Werbespot für das neue iPad Pro vor (Preise mit etwas Zubehör: bis zu CHF 3’296 – für ein Tablet!)

Der Spot zeigt, wie eine riesige Metall-Presse auf eine Sammlung kreativer Werkzeuge herunterfährt und alles unter sich platt macht: von der Trompete, über das Klavier, einen analogen Plattenspieler, ein Mischpult, Farbkübel, einen wunderbaren alten Spielautomaten, ein Metronom oder eine Plastilin-Büste. Fast in Zeitlupe zeigt der Sport, wie die Metallpresse Symbole der menschlichen Kulturgeschichte mit schierer Gewalt kaputt macht.

Als die Presse sich am Ende dann wieder öffnet, liegt das neue iPad unter der Presse.

Während die Schweizer Medienlandschaft mit ihren Apple-Fanboy-Journalisten über den Spot schweigt, ist international eine Kontroverse darüber entbrannt. Um nicht zu sagen: Ein Shitstorm über Apple heruntergegangen.

Schauspieler Hugh Grant schreibt beispielsweise auf Twitter: «Die Zerstörung der menschlichen Erfahrung. Das ist der Anstand von Sillicon Valley.» Auch unter Tim Cooks Twitter Timeline stapeln sich viele negative Kommentare. Sterling Crispin schreibt beispielsweise: «Symbole der menschen Kreativität und kultureller Leistungen zerstören, um damit professionellen Kunstschaffenden zu gefallen – nett. Für die nächste Apple Watch Pro solltet Ihr dann vielleicht Sportausrüstungen zerstören und zeigen, dass ein Roboter schneller rennt als ein Mensch. Und dann sagt ihr in die Kamera: «Gott ist tot und wir haben ihn getötet.» Oder Machi Hidarino: «Ihr habt alle Kreativ-Werkzeuge und menschlichen Anstrenungen zerstört. Schlimmster. Werbespot. Aller Zeiten.» Und Yuval Kordov, in Anlehnung an den erwähnten 1984-Spot: «Vor 40 Jahren hatte Apple den 1984-Werbespot veröffentlicht als starkes Statement gegen die Distopie. Heute seid ihr die Distopie.»

Apple hat unterdessen reagiert. Vize-Präsident Tor Myhren erklärte sich im US-Werbemagazin AD AGE: «Mit diesem Video hat Apple das Ziel verfehlt. Das tut uns leid.» Apple-CEO TIm Cook hat sich nicht verlauten lassen, auf seinem Twitter-Account ist der Post mit dem Werbespot auch immer noch zu sehen.

Der letzere Punkt mag sich mit einem Grundsatz der Krisenkommunikations-Strategie erklären: Behalte Dir Spielraum nach oben offen. Wir wollen nicht gleich die obersten Verantworungsträger ins Rennen schicken, sondern zusehen, ob wir das Problem auf einer tieferen Ebene abhandeln können.

Was hingegen weniger nachvollziehbar erscheint: Warum wurde der Spot überhaupt je gedreht und veröffentlicht? Gibt es im gesamten Apple-Universum niemanden, der die nachgerade schreiende Meta-Botschaft «Wir machen alles platt» sah? Beobachter mutmassen, die Zerstörungs-Orgie sei ein Werk Künstlicher Intelligenz und in Tat und Wahrheit nichts kaputtgegangen. – Aber auch stellt sich die Frage: Sind die bei Apple unterdessen nur noch so nerdy drauf, dass niemand mehr merkt, wie destruktiv die Botschaften sind, die ihre Tecchies hervorbringen? Herrscht bei Apple eine Kultur, in der kritische Stimmen sich gar nicht mehr wagen, sich zu äussern?

Das Beispiel zeigt: Gutes Krisenmanagement, eine gute Krisenkommunikation beginnt nicht erst mit dem Eintritt eines Ereignis. Sondern lange davor und insbesondere damit, dass Strukturen geschaffen werden, die kritische Äusserungen zur richtigen Zeit belohnen. Eine solche Einstellung muss vom Top-Management gepflegt werden – häufig genug werden nämlich Menschen im Unternehmen, die den Finger auf den wunden Punkt legen, zu Unrecht als «Miesmacher», «Verhinderer» oder «Destruktive» betrachtet, welche andere demotivieren.

Gute Unternehmen schaffen eine Kultur, in der kritische Stimmen willkommen sind und Kritik so eingebettet wird, dass sie die Organisation als Ganzes voranbringt, die Motivation aufrecht erhält, aber eben auch nicht blind auf die berüchtige Betonwand hin zusteuern lässt. Zugegeben, das ist manchmal eine Gratwanderung. Aber eben nötig.

Apples verunglückter Werbespot zeigt, wie schnell alles kaputt gehen kann, was über Jahrzehnte aufgebaut worden war. Das mit Inbrunst gepflegte Narrativ von «Wir sind die Guten» hat Apple auf jeden Fall nachhaltig zerstört.

Baerbocks Turnschuh-Outfit: Warum die Kritik nicht sexistisch ist

Baerbocks Turnschuh-Outfit: Warum die Kritik nicht sexistisch ist

Schluss mit Kritik-Verboten

Nein, Dresscode-Kritik ist nicht per se sexistisch.

 

Und wieder mal gehen die Wogen hoch in Deutschland. Der TikToker @news_aktuell_ironisch hat die deutsche Aussenministerin Annalena Baerbock für ihren Dresscode kritisiert, als sie im April im italienischen Capri ankam. Sie stieg dort mit Jogginghosen, Turnschuhen, einem langen Mantel und einer Baseball-Cap aus dem Schiff, wo sie von einem Marine-Detachement empfangen wurde.

Der Tiktoker kritisiert, man könne doch nicht in Turnschuhen aus dem Schiff steigen, wenn man mit militärischen Ehren empfangen werde.

Das führt nun zu einer Kontroverse. Die Kritik sei «sexistisch», behauptet die linke Feministin #louisadellert  in einer Entgegnung. Die Frau würde für ihr Äusseres kritisiert, was bei Männern nicht passiere.

Was ist davon zu halten?

Wir meinen: Es kommt darauf an.

Fragen wir zuerst danach, was Sexismus ist. Der Definitionen gibt es da viele. Wir legen eine einfache zugrunde: Sexistisch ist, wer einer Person alleine aufgrund des biologischen Geschlechts irgendwelche Merkmale zuweist, die mit der Geschlechtsfrage nichts zu tun haben. So wäre es zweifellos sexistisch, Baerbock die Eignung zur Aussenministerin abzusprechen, «weil sie das als Frau nicht kann.» Eine solche Aussage geht natürlich gar nicht.

Und die Äusserlichkeiten?

Die linke Influencerin Louisa Dellert kritisiert auf TikTok, dass Frauen immer noch häufig aufgrund ihres Aussehens Kompetenz abgesprochen werde – und Männer davon viel weniger betroffen seien.

Nun, wie so oft liegt der Teufel im Detail.

 

Physiognomik: Geht gar nicht

Die Physiognomik behauptet, von äusserlichen Merkmalen – beispielsweise einer hohen Stirn oder einer Hakennase – auf seelische und charakterliche Eigenschaften schliessen zu können. So wollte man beispielsweise potentielle Verbrecher bereits anhand Ihres Äusseren identifizieren. Oder anhand von Gesichtszügen bestimmen können, ob eine Person homosexuell ist.

Die Forschungsrichtung hat eine lange Geschichte, schon Aristoteles hatte sich zu solchen Fragen geäussert. Seit die Nationalsozialisten Menschen aufgrund von Schädelformen in höher und wenig hoch entwickelte Menschen einteilten, ist die Physiognomik unter seriösen Psychologen aber ein Unding und wird als Irrlehre angesehen. Auch wenn es immer wieder Versuche gibt, sie wiederzubeleben und bis heute Kurse darin abgehalten werden oder Autorinnen wie Tatjana Strobel Bücher darüber schreiben.

Wir sagen klar: einer Person aufgrund eines Gesichtszuges charakterliche oder intellektuelle Eigenschaften zuzuweisen ist nicht seriös. Und eine Person für ihre Gesichtszüge oder körperlichen Merkmale zu kritisieren, ist grundsätzlich ein No Go.

 

Die Sache mit der Körperfülle

Darf man jemanden für seine Körperfülle kritisieren? Jetzt wird es schon schwieriger. Adipositas, also Fettleibigkeit, gilt als Krankheit. Ist ein fettleibiger Mensch krank oder einfach disziplinlos? Dürfen Menschen für Krankheiten kritisiert werden?

Wir empfinden das als Gratwanderung. In der Geschichte zeichneten sich auch grosse politische Figuren durchaus durch eine erhebliche Körperfülle aus – und leisteten viel für die Gesellschaft. Es sei nur beispielsweise an Winston Churchill erinnert, der nicht nur dem Essen, sondern auch dem Alkohol nicht abgeneigt war.  Niemand wäre auf die Idee gekommen, ihn für das Übergewicht zu kritisieren (ausser seine Frau vielleicht). Die Frage ist vielleicht deshalb vielmehr, ob es nicht einfach stillos ist, sich über eine übergewichtige Person lustig zu machen. Und eine solche Kritik deshalb mindestens genau so viel über den Kritiker aussagt als über die kritisierte Person, die mit grosser Sicherheit ja selbst unter ihrem Übergewicht leidet.

Aber auch hier gilt es wieder, auf die Feinheiten zu achten. Wenn eine Politikerin wie die Grüne Ricarda Lang anderen Ernährungstipp geben wollte, dann erscheint eine Kritik mit Verweis auf ihre eigene Leibesfülle durchaus berechtigt. Da geht es nicht um Sexismus, sondern schlicht um Glaubwürdigkeit. Wer offensichtlich Mühe bekundet, sich selbst richtig zu ernähren, sollte nicht andere darin unterrichten wollen. Das wäre, wie wenn ein Fahrlehrer ohne Führerschein Lastwagenchauffeure ausbilden wollte.

Wenn dieselbe Ricarda Lang aber einen politischen Vorstoss unternimmt, um die Lebensmittelindustrie auf gesündere Produkte zu verpflichten, dann ist daran wiederum nichts auszusetzen. Im Gegenteil: Ihre eigene Erfahrung legitimiert sie sogar dazu, den Finger auf diesen Punkt zu legen und zu zeigen, welche negativen Auswirkungen gesundheitsschädliche Rezepturen in der Lebensmittelindustrie haben können.

 

Professioneller Dresscode darf angemahnt werden

Eine andere Sache ist es mit der Kleidung. Die Kritik an Baerbocks Turn-Outfit bei der Ankunft auf Capri ist natürlich unter keinem Titel sexistisch. Kleidung ist ja kein Persönlichkeitsmerkmal, auf das man keinen Einfluss hat. Und Baerbock hat ja bei anderer Gelegenheit durchaus bewiesen, dass sie sich korrekt zu kleiden weiss. In der vorliegenden Situation handelt es sich schlicht um einen Protokollfehler.

Die Kritik an ihrem Turnzeug ist also eine rein professionelle und sehr wohl berechtigte. Auch einem männlichen Aussenminister, der im Jogginganzug aus dem Schiff tritt, wenn er dort von einem Marine-Detachement empfangen wird, wäre derselbe Vorwurf zu machen.

Denn eine solche Kleidung zeugt schlicht von mangelndem Respekt. Gerade eine Aussenministerin sollte als Chef-Diplomatin wissen, dass man Respekt auch über den Desscode zum Ausdruck bringt. Die Marine-Soldaten begegnen ihr ja auch nicht im Sporttenü, sondern in der korrekten Uniform.

Dass man auch als Aussenminister der Grünen Partei stets korrekt gekleidet sein kann, gibt die deutsche Geschichte übrigens durchaus her. Es sei nur an Joschka Fischer erinnert. Der erste grüne Aussenminister hatte als Abgeordneter im Bundestag noch Schlagzeilen gemacht, weil er sich erfrecht hatte, in weissen Turnschuhen im Parlament aufzutreten. Später, als Aussenminister, machte er im feinen Tuch, meist dem Dreiteiler, immer eine gute Figur und hatte sich damit auch bei Gesprächspartnern Respekt verschafft, die politisch das Heu nicht mit ihm teilten.

 

Alles Sexismus oder was?

Von Kritikerinnen wie Louisa Dellert wird gerne behauptet, Frauen seien viel häufiger von Kritik an ihrem Körper betroffen und das sei sexistisch. Wir meinen: Hier spielt wohl die kognitive Dissonanz. Sprich: Die Kritikerinnen nehmen nur Kritik am Äusseren von Frauen wahr. Derweil werden Männer genauso kritisiert und öffentlich diskutiert. Berlusconis plastische Eingriffe und seine auch im hohen Alter noch schwarzen Haare waren regelmässig Gegenstand von Debatten, genau so machen sich viele über die Frisur des neuen argentinischen Präsidenten Javier Milei lustig («Was ist sein Coiffeur von Beruf»?) und auch Helmut Kohls Leibesfülle war seinerzeit Gegenstand von Sprüchen («Die Walz‘ aus der Pfalz»). Auch der unpassende Auftritt des russischen Diktators Vladimir Putin mit nacktem Oberkörper auf einem Pferd wurde weltweit verspottet.

Fazit: Die Kritik an unpassendem Kleidungsstil, unpassender Inszenierung oder auch körperlichen Attributen hat sich längst emanizipiert, Männer sind genau so davon betroffen wie Frauen.

Darf man Kritik üben an nicht angemessener Kleidung von Exekutiv-Politikern? Joschka Fischer, deutscher Aussenminister im Kabinett von Gerhard Schröder von 1998 bis 2005, zeigt, wie es geht. Der frühere Abgeordnetenschreck verzichtete als Chefdiplomat auf Turnschuhe und Baseball-Caps – zumindest bei offiziellen Terminen. Sein Desscode galt als stilbildend, Fischer in Style-Magazinen als Vorbild gefeiert.

 

Ricarda Langs Übergewicht ist immer wieder Gegenstand von spitzen Bemerkungen der politischen Gegnerschaft. Wir erachten Kritik an der Leibesfülle von Personen des öffentlichen Lebens als stillos – sie wirft auch ein schlechtes Licht auf die Kritiker.

Gleichzeitig gilt aber auch: Übergewicht wird in verschiedenen gesellschaftlichen Kreisen jegwelcher Parteifarbe als Mangel an Disziplin wahrgenommen und ist damit sicherlich nicht hilfreich für eine Karriere. In der Privatwirschaft sind übergewichtige Topkader heute eine Seltenheit geworden. Sowohl aus gesundheitlichen wie auch aus Gründen des Reputationsmanagements ist deshalb eine Gewichtskontrolle empfehlenswert.

Bildnachweis:

(1) TikTok

(2) Dr. Frank Gaeth, über Wikipedia

(3) Bundesbildstelle des Presse- & Informationsamtes der deutschen Bundesregierung

Drei Lehren aus Baerbocks Fails

Drei Lehren aus Baerbocks Fails

Drei Lehren aus Baerbocks Fails

Das vollständige Interview

Die Emotionen gehen wieder mal hoch in Deutschland ob der deutschen Aussenministern. Einige lachen, viele schämen sich.

Ausgangspunkt ist ein Interview von Annalena Baerbock in den TAGESTHEMEN vom 17. April 2024. Darin gelingt ihr tatsächlich kaum ein fehlerfreier Satz.

Welche Lehren gibt es aus dem verunglückten Auftritt zu ziehen?

3 Punkte:
Zunächst mal: Nicht jedermann kann Rhetorik-Gott sein, auch wenn man vieles in der Medienrhetorik lernen kann.

Dazu gehört es auch, die Stärken zu stärken (und solche hat jede Person). Und die Schwächen zu umgehen.

Dass es Baerbock mit Fremdwörtern nicht so hat, ist bekannt. Deshalb sollte für sie gelten: Keine Fremdwörter. Gleichwohl spricht sie über die Angriffe des Iran auf Isreal als «präsidenzlose Angriffe». Sie meint wohl präzedenzlos. Aber warum verwendet sie nicht einfach das viel einfachere Wort «beispiellos»?

Zugegeben: Baerbock ist nicht die erste, die versucht, mit akademischem Wortschatz zu punkten. Wir erleben das in Medientrainings recht häufig.

Dem aber eine falsche Vorstellung zugrunde liegt. Nämlich die, mit einer komplizierten Sprache Kompetenz ausstrahlen zu können.

Nur: Das Gegenteil ist der Fall. Die Speer-Spitze der Kompetenz, das sind diejenigen, denen es gelingt, auch komplexe Sachverhalte einfach und verständlich darzustellen. Einfach, aber halt sprachlich korrekt.

Das ist es, was auch Medienschaffende sich wünschen. Denn das Schlimmste für sie wäre, dass sich das Publikum abwendet, weil die Ausführungen unverständlich sind.

Lehre Nummer 1:
Was in den Medien gefragt ist, ist eine strassengängige Sprache, kein schwülstiges akademisches Blabla.

 

Einfach und verständlich, das gilt auch für die Länge der Sätze. In der gesprochenen Sprache und in flüchtigen Medien wie Radio und Fernsehen noch viel mehr. Eine althergebrachte Regel, die den Volotären auf der Redaktion beigebracht wird: 13 Wörter pro Satz, das ist das Maximum. Kurze Sätze, bitte. Subjekt, Prädikat, Objekt – und gut ist. Keine Verschachtelungen, denen niemand mehr folgen kann – und die am Ende grammatikalisch nicht aufgehen.

Lehre Nummer 2:

In der Kürze liegt die Würze. Das gilt für jeden einzelnen Satz.

 

Die Frage, die uns in Medientrainings häufig gestellt wird: Haben denn diese Spitzenpolitiker keine Kommunikationsspezialisten, die ihnen helfen?

Ich hab’ keine Informationen, wie Baerbock das macht. Aber ja, sich helfen zu lassen, ist sicherlich nicht falsch. Zwei Beobachtungen dazu: Viele holen sich Berater, machen dann aber trotzdem ihr eigenes Ding. Wir nennen sie die «Beratungsresistenten˚.

Ob Baerbock glaubt, sie könne es wider den Ratschlägen ihrer Profis besser, ist nicht bekannt. Dass ihre Berater, im Wissen um ihre kommunikativen Schwächen, ihr Sprechnotizen vorbereiten mit Wörtern und Wortgebilden wie «präzedenzlos» oder «meistsanktionierten Sanktionsregimen» erscheint fast unmöglich. Und falls es doch so wäre, dann wär’s höchste Zeit, die Expertise der Experten mal in Frage zu stellen.

Lehre Nummer 3:

Such‘ Dir Experten, die Dich unterstützen und wissen, wie sie Deine Stärken betonen und die Schwächen umschiffen. Und hör‘ auf sie – dafür hast Du sie ja.

Wieder im Angebot: Das virtuelle Medientraining

Wieder im Angebot: Das virtuelle Medientraining

Wieder da:
DAS VIRTUELLE MEDIENTRAINING

Die comexperts AG lancierte 2020 als erster Anbieter das Virtuelle Medientraining. Es gibt Ihnen die Möglichkeit, ein Medientraining vom Computer aus zu absolvieren – wo immer Sie sich befinden: zuhause, im Office, oder unterwegs.

Ende der Corona-Zeit mussten wir das Angebot einschränken: Microsoft zog die Anbindung einer technischen Komponente, die für das Virtuelle Medientraining nötig war, vorübergehend zurück.

Mit der Neuauflage von MS TEAMS fällt diese Einschränkung weg – und der Neuauflage der Virtuellen Medientrainings steht nichts im Wege.

Was Sie benötigen? Ein MS TEAMS-Account (mit ZOOM können wir auch) und eine Breitband-Internetverbindung, das Training findet schliesslich über das Internet statt.

Den ersten Teil des Trainings absolvieren Sie anhang von Tutorial-Videos. In der Live-Session werden Sie dann über eine Internet-Verbindung trainiert: Sie spielen Interviewsituationen durch, zeichnen alles auf & diskutieren mit dem Trainer anschliessend das Feedback.

Auch die Buchung ist denkbar einfach: Sie erhalten Zugriff auf den Kalender unserer Medientrainer, wählend den Termin aus, zu dem Sie die Live-Session abhalten möchten und füllen den Fragebogen aus. Alle weiteren Schritte erfolgen dann ganz von alleine.

Die nötige Technik ist denkbar simpel, wir unterstützen Sie aber in allen Fragen und bieten verschiedene Techniksets an (z.B. mit Webcams, Stativ, etc.), falls Sie Unterstützung dazu wünschen.

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So geht es

Das Prinzip

Die Idee hinter dem Virtuellen Medientraining ist die, ein Medientraining so effizient und effektiv wie möglich zu gestalten. Einen Teil des Know-Hows im Umgang mit den Medien erhalten Sie in Video-Tutorials vermittelt: Diese können Sie sich anschauen, wann immer Sie dazu Zeit finden, und wo immer Sie gerade sind. Sie können Sie auch mehrfach anschauen und die Inhalte nachlesen.

Den Übungsteil bestreiten Sie mit unserem Headcoach Patrick Senn über das Internet. In 90-minütigen Sessions trainieren Sie Radio-, TV- und Presseinterviews. Ihre Interviews werden aufgezeichnet und besprochen, Sie haben anschliessend auch Zugriff darauf und können sich in aller Ruhe noch einmal alles anschauen.

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Bündner Spezialitäten

Bündner Spezialitäten

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Wie sich der Bündner Regierungsratskandidat Andreas Felix um Kopf und Kragen redet.

Ein Bündner Regierungsratskandidat und Funktionär des Baumeisterverbands verliert innert zwei Tagen jegliche Glaubwürdigkeit. Will aber weiterhin Regierungsrat werden. Dabei stolpert er über dieselben Fehler wie schon viele vor ihm.

Aber von vorne: Seit 2012 ermittelt die Wettbewerbskommission (Weko) zunächst gegen verschiedene Unterengadiner, später auch noch gegen weitere Bündner Bauunternehmen wegen illegaler Preisabsprachen und Marktaufteilungen. Zehn Verfahren sind es insgesamt. Auch gegen den Bündner Baumeisterverband wird in diesem Zusammenhang ermittelt, der seit 2008 von Andreas Felix geführt wird, der gleichzeitig Kantonalpräsident der BDP und Grossrat ist. Insgesamt arbeitet Felix in verschiedenen Funktionen schon seit 25 Jahren für die Bündner Baumeister.  Trotz der laufenden Ermittlungen der WeKo lässt sich Felix im Frühling 2017 von den Delegierten der BDP zum Regierungsratskandidaten aufstellen.

Ab Montag, 23. April publiziert das online-Magazin REPUBLIK.CH eine vierteilige Serie über das Unterengadiner Baukartell. Im Rahmen der Berichterstattung behauptet der Whistleblower, welcher den ganzen Fall ins Rollen gebracht hatte, dass an einigen der Vorversammlungen, an denen die Preisabsprachen getätigt worden seien, Andreas Felix persönlich teilgenommen habe. An mindestens drei solche Veranstaltungen will sich der Whistleblower erinnern, eine davon definitiv in der Zeit nach 2004, als das Kartellrecht verschärft worden war.

Felix reagiert erbost und weist die Unterstellungen als Lügengeschichten von sich. In der Sendung SCHWEIZ AKTUELL des SCHWEIZER FERNSEHEN vom Mittwoch, 25.4. sagt er wörtlich: „Es hat keine Hinweise gegeben, die uns darauf hingedeutet hätten, dass Preisabsprachen stattfinden.“ Und auf Nachfrage der Journalistin, ob er es tatsächlich nicht gewusst habe: „Das ist so. Der Baumeisterverband hat hinlänglich kommuniziert, dass wir keine Hinweise hatten, dass im Wettbewerb Preisabsprachen passieren.“   Und später im selben Beitrag: „Wir müssen von der Geschichte dann reden, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen auf der Basis von Weko-Entscheiden und nicht auf der Basis von kolportierten Verunglimpfungen, wie zum Beispiel von dieser heutigen Geschichte“ – und meint damit die Anschuldigungen im Artikel der REPUBLIK.

Nebst Felix kommt auch BDP-Regierungsrat Jon Domenic Parolini unter Druck. Er sei 2008, damals noch Gemeindepräsident von Scoul, vom späteren Whistleblower über das Kartell informiert worden. Parolini räumt diese Tatsache ein, erklärt aber auch, dass er von dem Whistleblower eine Kopie der Liste verlangt hatte, welche dieser ihm aber nicht auszuhändigen bereit war, dass er die Sache dem Gemeinderat von Scuol vorgetragen hatte, am Ende aber nichts unternahm, weil man der Ansicht war, über zuwenig Fakten oder Beweismittel zu verfügen. Die BDP Graubünden, die Partei sowohl von Parolari als auch von Felix, veröffentlicht am Mittwoch ein Medien-Communiqué, in dem sie die „unhaltbaren Vorwürfe“ gegen ihre Politiker geisselt.

Einen Tag später liegen die Fakten auf dem Tisch. Am Donnerstag publiziert die Weko ein Medien-Communiqué und einen Presserohstoff zu dem Entscheid in der Untersuchung „Unterengadin I“. Mehrere Firmen werden darin für illegale Preisabsprachen mit total 7.5 Millionen Franken Bussen und 500’000 Franken Verfahrenskosten belegt.  Und wörtlich: „Der Graubündnerische Baumeisterverband zahlt zwar keine Busse, ihm wurden aber Verfahrenskosten auferlegt, da er zum Teil an der Organisation dieser Kartelle beteiligt war.“ Und: „Diese Abreden wurden zum Teil an den vom bündnerischen Baumeisterverband organisierten Vorversammlungen getroffen.“

Mit anderen Worten: Die Weko beschuldigt den Baumeisterverband nicht explizit, von den Preisabsprachen gewusst zu haben. Nur: Die Sitzungsleiter, welche diese Vorversammlungen geführt hatten, waren teilweise vom Baumeisterverband engagiert und bezahlt worden, was vom Verband auch nicht bestritten wird. Kein Wunder, stellen die Kommentator/innen in den Medien die Frage, wie glaubwürdig die Behauptung sein könne, der Verband hätte nichts von den Absprachen gewusst (etwa im TAGES-ANZEIGER).  Dass zwei der gebüssten Firmen mit Vertretern im Vorstand des Baumeisterverbandes vertreten waren und nun in aller Eile zurücktreten, verbessert die Situation für den angeschlagenen Verband auch nicht wirklich – im Gegenteil.

Der Baumeisterverband reagiert rasch und schaltet wenige Stunden später ein Medien-Communiqué auf mit dem euphemistischen Titel: „WEKO stellt Verfahren gegen GBV ein“. In dieser Mitteilung behauptet der Graubündner Baumeisterverband: „Immerhin bestätigt selbst die aus Sicht des GBV tendenziöse Medienmitteilung der WEKO, dass der GBV und sein heutiger Geschäftsführer nicht an Vorversammlungen teilgenommen haben. Damit ist der in der Online-Plattform “Republik“ erschienene Fortsetzungsroman in diesem Punkt als reine Fake-News entlarvt.“

Nur: Diese Behauptung des Bündner Baumeisterverbandes ist frei erfunden. Die Medienmitteilung der Weko macht keinerlei Aussage dazu, ob der heutige Geschäftsführer (sprich: Andreas Felix) an einer dieser Vorversammlungen teilgenommen haben könnte oder nicht. An der gleichentags einberaumten Medienkonferenz spricht ein Medienschaffender den Präsidenten des Verbandes, Markus Derungs, auf diese Inkonsistenz an. Derungs‘ Erklärung: Wenn die Weko Erkenntnisse gehabt hätte, dass Felix an einer dieser Veranstaltungen teilgenommen hätte, dann hätte sie das ja bestimmt geschrieben. Und Felix versucht nachzudoppeln: Auch in dem Entscheid-Dispositiv der Weko (das nicht öffentlich ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt) werde nirgends ein entsprechener Vorwurf erhoben. – Mit Verlaub: Das Schweigen der Behörde in dieser Frage als eine Bestätigung für die Nicht-Teilnahme von Felix zu betrachten, ist doch eine reichlich abenteuerliche Auslegung. Zumal die Weko ja nicht gegen Personen, sondern gegen Firmen ermittelt.  Der Baumeisterverband hat mit dieser Kommunikation weder die eigene noch die Glaubwürdigkeit  von Andreas Felix gestärkt, wie es auch die Stimmung an der Medienkonferenz deutlich zum Ausdruck bringt, sondern nur noch mehr Kopfschütteln ausgelöst. Weko-Vizedirektor Frank Stüssi konterte in der Sendung SCHWEIZ AKTUELL vom 26. April 2018 deutlich genug: „Wer an diesen Sitzung teilnahm, legen wir nicht offen. Für die Aussagen von Andreas Felix muss er selbst geradestehen.“ – Mitnichten also eine Bestätigung, dass Felix die Wahrheit sagt und an keiner der Sitzung teilgenommen hatte.

Nicht am Platz ist auch der aggressive Tonfall des Bündner Baumeisterverbandes. An einem Tag, an dem die Schlagzeilen der Medien landesweit darüber berichten, dass Bündner Baumeister die Bevölkerung  durch illegale Marktabsprachen um Millionenbeträge betrogen hat, wäre vom zuständigen Branchenverband zunächst einmal Demut verlangt. Der Bünder Baumeisterverband macht das Gegenteil: Er teilt aggressiv aus, nennt die Kommunikation der Weko „tendenziös“  (was er allerdings zu keinem Zeitpunkt untermauern kann), kritisiert überhaupt die Einschätzung der Weko, beschimpft den Medientitel als Lügenpresse, der ausführlich über die illegalen Machenschaften berichtet,  und bezichtigt auch den Whistleblower, der die ganze Weko-Untersuchung ins Rollen brachte,  als Lügner. Was der Verband dabei vergisst: Die jüngsten Ereignisse sprechen für den Whistleblower: Er hat die Unterengadiner Bauunternehmer der illegalen Preisabsprachen bezichtigt, und nach sechs Jahren Untersuchung kommt die Weko zu eben diesem Befund. Der Whistleblower hat ausgesagt, Parolini informiert zu haben, und dieser bestätigt.

Mit anderen Worten: Es gibt zum heutigen Zeitpunkt keinen Anhaltspunkt, dem Informanten nicht zu glauben, während die Darstellung des Verbandes schwer nachvollziehbar bleibt. Dazu spielt das David-gegen-Goliath-Momentum: Der mächtige Baumeisterverband gegen den Kleinunternehmer, der alles verloren hat, weil er sich gegen die illegalen Machenschaften gewehrt hat. Eine Ausgangslage, in welcher sich ein aggressives Verhalten wie dasjenige des Bünder Baumeisterverbandes schlicht verbietet. Stattdessen hätten Baumeisterverband und Felix versuchen müssen, zu erklären. Etwa, dass sie selbst erschrocken seien darüber, dass Sitzungsleiter, welche der Verband selbst abgestellt hatte für die Besprechungen, dort offenbar an illegalen Preisabsprachen teilgenommen hatten, statt dass sie die Baumeister darauf aufmerksam gemacht hätten, dass sie gerade dabei waren, eine Gesetzesverletzung zu begehen. Dass der Verband intern aufarbeiten werde, warum eben diese Sitzungsleiter den Verband, in dessen Lohn sie standen, nicht informiert hatten über derlei Vorgänge. Und dass der Verband feststellen müsse, dass ganz offensichtlich keine Sensibilität bestand bei den eigenen Mitgliedern, was erlaubt war und was nicht.

Wenn ein Verband nicht die Kraft hat, sich in einem solchen Moment von denjenigen Mitgliedern zu distanzieren, die kriminell gehandelt haben, dann leistet er denjenigen, welche „sauber“ geschäften, einen Bärendienst. Weil er die Wahrnehmung schürt, dass der Verband selbst hinter diesen illegalen Praktiken steht. Oder aber die Illegalen über so viel Macht im Verband verfügen, dass sie ihn nach belieben dominieren.

Felix hat diese Chance verpasst.  In einer online-Umfrage der SÜDOSTSCHWEIZ sehen ihn mehr als 80% nicht mehr als valablen KandidatenAuch der Chef-Kommentator der Zeitung hat ihn bereits abgeschrieben. Bei einer nüchternen Lageeinschätzung müsste man wohl zum Schluss kommen, dass es besser wäre, Felix aus der Schusslinie zu nehmen, als am Ende auch noch die Wiederwahl von Parolini zu gefährden, wenn während den verbleibenden Wahlkampfwochen das für die BDP so verheerende Baukartell das bestimmende Wahlkampfthema bleibt. Offenbar ist die BDP aber (noch?) nicht so weit.

 

Die Take-aways:

  • Lassen Sie sich nicht für ein Amt im öffentlichen Dienst portieren, wenn gegen Sie eine Straf- oder andere Untersuchung läuft. Eine solche Untersuchung lässt sich schlicht nicht mit einer solchen Kandidatur vereinbaren. Wer es nicht glauben mag, sei an das abrupte Ende von ex-Armeechef Roland Nef erinnert. Kaum im Amt, hatte die SONNTAGSZEITUNG ausgebracht, dass gegen Nef eine Strafuntersuchung lief, weil er seine Ex gestalkt haben soll. Nef musste gehen, „sein“ Departementschef Samuel Schmid (BDP) gab wenig später den Rücktritt aus dem Bundesrat bekannt. Oder der Fall Zuppiger: Der Zürcher SVP-Nationalrat war als Bundesratskandidat im Gespräch. Bis auskam, dass gegen ihn ein Strafverfahren wegen Veruntreuung geführt wurde. Zuppigers Kandidatur war Makulatur, er verlor darüber hinaus alle weiteren Ämter und verstarb früh. Merke: Wer ein öffentliches Amt sucht, währenddem gegen ihn derlei Vorwürfe im Raum stehen, lässt jedes politische Fingerspitzengefühl vermissen – solches ist aber Voraussetzung für ein öffentliches Mandat.

 

  • Auch wenn Sie unter grösstem Druck sind: Lassen Sie sich nicht zu Aussagen hinreissen, die nicht der Wahrheit entsprechen. Ob Felix die Wahrheit sagt, wenn er behauptet, er habe nie an einer der Sitzungen mit den illegalen Preisabsprachen teilgenommen, ist offen: Es steht in diesem Punkt Aussage gegen Aussage. Definitiv unwahr ist aber die Behauptung seines Baumeisterverbands, die Weko habe in ihrem Medien-Communiqué bestätigt, er habe nie an einer solchen Sitzung teilgenommen. Die Redewendung sagt’s bereits: Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er noch die Wahrheit spricht. Die törichte Behauptung über die WEKO-Medienmitteilung, die für jedermann als Falschaussage einfach nachzuprüfen ist, hat die letzte Glaubwürdigkeit von Felix zerstört.

 

  • Wenn Sie, Ihr Arbeitgeber oder Teile Ihrer Branche grad eines gesetzeswidrigen Verhaltens überführt wurden und damit landesweit Schlagzeilen gemacht werden: Passen Sie Ihre Tonalität an. Aggressivität ist fehl am Platze, auch wenn Sie sich ungerecht behandelt fühlen. Greifen Sie nicht an, erklären Sie. Sie sind in einem solchen Moment nun mal nicht in einer Position der Stärke.

 

  • Wenn Sie derart unter Druck geraten, dass ein Festhalten am Amt oder einer Kandidatur schlicht chancenlos geworden ist: Ziehen Sie sich zurück, solange Sie das Gesicht wahren und menschliche Grösse demonstrieren können. Das gelingt Ihnen einfacher, wenn Sie finanziell soweit vorgesorgt haben, dass sie nicht auf den nächsten Monatslohn angewiesen sind. Legen Sie deshalb zurück, wenn Sie in einer exponierten Position sind.

 

  • Wenn Sie Parteidelegierter oder Mitglied einer Findungskommission sind: Checken Sie jede Kandidatin, jeden Kandidaten auf deren Vorgeschichte hin ab.

 

  • Wenn trotz sorgfältigster Abklärungen Vorwürfe gegen einen Kandidaten erhoben werden, verfallen Sie nicht dem Fehler, sich aus purlauterer und falschverstandener Loyalität bedingungslos vor den Kandidaten zu stellen, bevor die Vorwürfe ausgeräumt sind. Schiessen Sie ihn aber auch nicht ab, bevor sie den Sachverhalt geklärt haben. Ein solches Signal wäre nach innen fatal.

 

Wie hätte Andreas Felix Grösse zeigen können? Indem er gestern vor die Medien getreten wäre mit einem Statement wie dem folgenden: „Meine Branche steht heute vor einem Scherbenhaufen und zurecht am Pranger. Ich habe in der Vergangenheit immer gesagt, dass die illegalen Praktiken, welche von der Weko heute bestätigt wurden, nicht bis zu mir vorgedrungen sind und ich nichts darüber gewusst hatte. Dazu stehe ich auch heute. Ich habe davon nicht gewusst und war nie Teil davon. Ich muss aber einsehen, dass in diesem Punkt mein Wort gegen das eines anderen steht, und ich kann den gegen mich erhobenen Vorwurf nicht anders ausräumen als mit den mündlichen Erklärungen, die ich bereits abgegeben hatte. – Den Vorwurf, wir hätten als Verband nicht genau genug hingeschaut und doch etwas bemerken müssen, muss ich akzeptieren und mich in diesem Punkt kritisch hinterfragen. –  Ich verstehe, dass alle diese Punkte viele Menschen verunsichern. Und sie sich fragen, ob ich in dieser Situation die geeignete Person bin, um in der Regierung des Kantons Graubünden Führungsverantwortung zu übernehmen. Ich habe deshalb entschieden und meine Partei darüber informiert, dass ich nicht mehr als Kandidat für die Regierungsratswahlen vom 10. Juni 2018 zur Verfügung stehe.“[/vc_column_text][vc_separator border_width=“10″][vc_column_text]

Update vom 27. April 2018, 1805 Uhr

BDP-Regierungsratskandidat Andreas Felix hat soeben an einer Medienkonferenz seiner Partei bekannt gegeben, als Parteipräsident und als Regierungsratskandidat zurückzutreten.[/vc_column_text][/vc_column][vc_column width=“1/6″][vc_column_text]

Hintergrund zum Weko-Entscheid

Der Weko-Entscheid «Engadin I» basiert auf mehreren Millionen Seiten Akten und über 120 Ermittlungsmassnahmen, d.h. Hausdurchsuchungen, rund 40 Einvernahmen, 3 Selbstanzeigen und 17 schriftlichen Ergänzungen zu Selbstanzeigen, rund 40 Auskunftsbegehren, rund 25 Amtshilfeersuchen. Die Untersuchungsergebnisse der Weko werden von betroffenen Unternehmen teilweise bestritten. Gegen den Entscheid kann beim Bundesverwaltungsgericht Beschwerde erhoben werden. Die Untersuchung „Engadin I“ ist eine von insgesamt zehn Untersuchungen, welche die Weko gegen Bündner Bauunternehmen mit dem Verdacht auf Verstösse gegen das Kartellgesetz führt. Quelle: https://www.weko.admin.ch/weko/de/home/aktuell/medieninformationen/nsb-news.msg-id-70566.html[/vc_column_text][vc_separator align=“align_left“ border_width=“10″][vc_column_text]

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